Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
Vom Netzwerk:
nicht
     die Polizei hinter mir her. Ich hatte mir vorgenommen, in die Kolonien auszuwandern, sobald ich genug Geld für die Überfahrt
     und einen neuen Anfang zusammengespart hätte, dann würde niemand jemals erfahren, dass ich unter dem Namen eines Toten lebte.
     Mit zwanzig bekam ich mein Diplom und trat meine erste Stelle an – und konnte hoffen, dass aus einem verwahrlosten Straßenjungen
     ein ehrbarer und angesehener Mann würde.« Tränen liefen ihm über die Wangen.
    Louise, die starr vor Verblüffung diesem Geständnis gelauscht hatte, beugte sich zu ihm und ergriff ohne Zögern seine Hand.
     »Du hast dich meinem armen Mann gegenüber als anständig und zuverlässig erwiesen, und ich werde dich immer so sehen. Ich finde,
     du hast klug gehandelt, als du die Chance genutzt hast.«
    »Klug gewiss«, korrigierte Heidegast sie, »aber kriminell.«
    »Und wenn?«, rief sie erbost. »Er hat recht! Was hätte es diesem Unglücklichen denn genützt, wenn er nicht so gehandelt hätte?
     Die Toten brauchen kein Geld, und sie brauchen auch keine Papiere.«
    Der Polizeirat seufzte angesichts dieser ungeniert pragmatischen Haltung. »Wusste Ihr Dienstgeber Bescheid über Ihre Situation,
     Herr   … nun, bleiben wir fürs Erste bei Hansen?«
    »Ja. Er war ein ungemein scharfsinniger Mann; ihm fiel auf, dass ich nicht die Sprache eines Jungen führte, der unter Seeleuten
     aufgewachsen war. Ich hatte mich bemüht, mir den Jargon der Seemänner anzueignen, aber es gelang mir nicht immer, mich entsprechend
     auszudrücken. Das erweckte seinen Argwohn, und er fing an nachzuforschen. Er machte das sehr diskret, ohne irgendwelches Misstrauen
     aufzustören.«
    »Wie hat er auf diese bemerkenswerte Entdeckung reagiert?«
    Frederick zuckte die Achseln und seufzte. »Er war sehr gütig. Er ließ sich alles genau erzählen und prüfte nach, was ich gesagt
     hatte. Er fand sogar die Familie, bei der ich acht Jahre verbracht hatte, und sagte nachher, er könne es niemandem verdenken,
     jeden noch so makabren Ausweg aus einer solchen Situation zu wählen. So ein Mensch war er   …« Seine großen olivbraunen Augen richteten sich mit einem Ausdruck von tiefem Kummer auf den Polizeirat. »Und diese boshafte
     alte Jungfer hat aus purer Niedertracht seinen Verstand und seinen Körper zerstört, hat ihn vernichtet und beinahe unsere
     Liebe für ihn zerstört!«
    Heidegast schlug auf die Klingel auf seinem Schreibtisch, die den Subalternen im Vorzimmer herbeirief. »Nun, junger Mann,
     Sie sind verhaftet. Einbruch, Missbrauch einer Vertrauensstellung im Krankenhaus, Leichenfledderei, Dokumentenfälschung   … Da kommt schön was zusammen! Verabschieden Sie sich von der Dame. Sie werden sie wahrscheinlich nie wiedersehen.«
    »Nie wieder? Was soll das heißen?«, schrie Louise entsetzt und sprang auf. »Es gibt doch keine Todesstrafe für ein solches
     Verbrechen!«
    »Nein, das nicht, aber nach der Zuchthausstrafe wird die Landesverweisung für kriminelle Ausländer ausgesprochen. Und dass
     er in seinem Heimatland nicht gerade mit offenen Armen empfangen wird, können Sie sich vorstellen. Auch in Russland werden
     Diebe und Leichenräuber nicht sehr geschätzt. Wahrscheinlich schickt man ihn nach Sibirien.«

2
    Louise tappte, eine Hand auf dem Geländer, mit zitternden Knien die Treppe des Stadthauses auf dem Neuen Wall hinab. Ihr schien
     es, als schwankte der Boden unter ihr und als verzerrten sich die Mauern. Nicht Zorn oder Angst hatte sie gepackt, nein, es
     war die schiere Verblüffung. Warum sollte sie Frederick grollen oder ihn fürchten, weil er irgendwann einen anderen Namen
     getragen hatte? Sie zürnte vielmehr dem Polizeirat, der es für notwendig befunden hatte, ihn deswegen verhaften und ins Gefängnis
     stecken zu lassen. Ihr Mann hatte ihm vertraut, und auch sie selbst hatte keinen Augenblick Anlass gesehen, ihm nicht zu vertrauen.
     Was hätte er denn tun sollen? Weiterhin ein Straßenjunge sein, der nicht einmal einen richtigen Namen hatte?
    Mechanisch bestieg sie eine der Droschken, die vor dem Amtsgebäude warteten, und befahl dem Kutscher, sie zur Apotheke zu
     bringen. Am Liebsten wäre sie jetzt allein gewesen, aber als sie die Offizin betrat, stieß sie auf Amy, die ihr freudig entgegeneilte.
    »Oh, Louise! Ich habe auf dich gewartet. Ich wollte dicheinladen   … Um Himmels willen, was ist denn mit dir los?« Sie beugte sich vor, um die Freundin näher in Augenschein zu nehmen. »My dear,
     bist du

Weitere Kostenlose Bücher