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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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Zügen und tief liegenden Augen. Schweres, schwarzbraunes Haar fiel auf seinem
     Oberkopf in dicken Strähnen in alle Richtungen durcheinander wie vom Sturm zerwühltes Schilf.
    Für einen Butler war er zu jung, also musste er wohl der Privatsekretär sein. »Herr Hansen?«, fragte sie.
    »Ja bitte?« Er blieb stehen. Also war er wirklich der Mann, bei dessen Erwähnung auf Louises Wangen ein so verräterisches
     Rosa aufgeblüht war.
    Amys Augen zogen sich zu schmalen, feindseligen Schlitzen zusammen. Er missfiel ihr vom ersten Augenblick an. Sie war immerhin
     ehrlich genug zuzugeben, dass ihr jeder andere, der Louise erröten machte, auch missfallen hätte, aber sie mochte die Art
     nicht, wie er sich umwandte, schnell, lauernd, wie ein aufgeschrecktes Tier.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, wiederholte er seine Frage, als sie nur dastand und ihn ansah.
    »Oh   … ja.« Sie stellte eine belanglose Frage nach dem Begräbnis, nickte ihm zu und eilte davon. Als sie sich am Fuß der Treppe
     umdrehte, stand er noch zwischen den Laternen und starrte ihr nach – die Schultern hochgezogen, den Hals vorgestreckt, den
     Kopf auf die Seite gelegt. Seine ganze Haltung verriet Argwohn und Feindseligkeit.
    Deinen Namen merke ich mir, dachte sie, während sie mit forschen Schritten ihrem Wohnhaus zustrebte.

Zweiter Teil
Süßes Gift
    I n der S tille der N acht
    1
    Louise öffnete die Tür mit dem pompösen Trauerbehang und trat in das eheliche Schlafzimmer, das hinter zugezogenen Portieren
     im Halblicht brennender Kerzen lag. Das Zimmer war längst nach Raouls Geschmack eingerichtet, als sie in sein Leben getreten
     war, und war ihr von Anfang an als eine Orgie von unnötigem Schnickschnack erschienen. Der Teppich mit seinem Muster aus scharlachroten
     Päonien, Schmetterlingen und Kolibris gab die Farbtöne für die Portieren an den Fenstern und die Bettvorhänge vor. Die Stoffe
     hätten heiter gewirkt, hätte sich nicht das ewige Graubraun des Hamburger Schmuddelwetters daraufgelegt wie Mehltau. Überall
     standen Sessel und Hocker, geschnitzte Tischchen und pseudo-chinesische Bodenvasen herum, und auf der Anrichte thronte ein
     Gesteck aus Straußenfedern und Seidenblumen.
    Man hatte den Leichnam, den ein Wagen des Instituts unmittelbar nach vollendeter Obduktion wieder in das Löwenhaus zurückgebracht
     hatte, bekleidet und auf sein Bett gelegt. Dort ruhte er im schwarzen Sonntagsanzug, die Brust geschmückt mit all den Ehrenzeichen,
     die die Stadt Hamburg ihm im Laufe seines verdienstvollen Lebens verliehen hatte.
    Paula Hahne saß im Hintergrund in einem Ohrensessel und las in einem Andachtsbüchlein. Ihre fromme Versenkung konnte jedoch
     nicht sehr tief gewesen sein, denn als Louise eintrat, warf sie ihr einen scharfen, unfreundlichen Blick zu. Sie schwieg jedoch
     aus Ehrfurcht vor den Nonnen, die wispernd ihre Rosenkränze beteten.
    Louise war nicht sonderlich fromm, aber im Augenblick bedeutete die Anwesenheit der Klosterfrauen für sie Trost und Beruhigung,
     ein unbestimmtes Gefühl der Sicherheit, als könnten die Nonnen die Schatten bannen, die immer näher an sie heranrückten und
     sie zu verschlingen drohten. Sie nickte ihnen grüßend zu und kauerte sich auf einem Hocker zusammen, die Finger ineinander
     verschränkt, den Kopf gesenkt, als betete auch sie, aber ihr Kopf war leer und ihr Herz betäubt. Das Ding auf dem Bett, das
     sich anmaßte, Raoul zu repräsentieren – den einst so lieben, lustigen und väterlichen Raoul   –, wollte sie gar nicht ansehen.
    Eine Stunde lang saß sie am Totenbett, dann, gegen elf Uhr nachts, stand sie auf, verabschiedete sich mit einem stummen Gruß
     und überließ es den Klosterfrauen, weiterhin Totenwache zu halten.
    Paula eilte ihr nach, so schnell es der Anstand eben noch zuließ. »Wieso bist du wieder da?«, zischte sie.
    »Meine Hinrichtung ist verschoben worden.«
    Als Paula sie daraufhin angaffte, wurde Louise klar, dass sie zu viel Hoffmannstropfen und Brandy konsumiert hatte und ihre
     Gedanken anfingen, ihr boshafte Streiche zu spielen. In ihrer Kehle saß ein dicker Kloß, und sie wusste nicht, ob es ein Lachen
     oder ein Schluchzen sein würde, wenn er sich löste.
    Bemüht, sich vernünftig zu zeigen, fügte sie ihrer Antwort hinzu: »Das Ganze war nur eine Wichtigtuerei dieses KriminalpolizeiinspektorsTrattenbach. Ich erzähle dir morgen alles in Einzelheiten, jetzt bin ich zu müde. Danke, dass du dich in meiner Abwesenheit
     um die Aufbahrung und

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