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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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gelang.
    Bei ihren ersten Bemühungen, den unterdrückten und betrogenen Frauen zu ihrem Recht zu verhelfen, hatte sie feststellen müssen,
     dass Arbeiterinnen und Dienstboten sie nicht ernst nahmen und sich lieber an die Sozialdemokratinnen hielten. Enttäuscht hatte
     sie sich ihrer eigenen Gesellschaftsschicht zugewandt und entdeckt, dass es auch unter den wohlhabenden und nach außen hin
     verwöhnten Frauen nicht wenige Hilfsbedürftige gab – so wie jetzt die Witwe des Apothekers.
    Keinen Augenblick hatte Amy darüber nachgedacht, ob die Witwe nicht vielleicht doch schuldig sein mochte. Sie war konsequent
     auf Seiten der Frauen. Als leidenschaftliche Frauenrechtlerin nahm sie nur ungern zur Kenntnis, dass blutjunge Frauen begüterter
     und bejahrter Männer durchaus Harpyien sein konnten, die ihren Opfern die Leber aus dem Leib fraßen. Offenbar wurde die Witwe
     Paquin zu Unrechtbeschuldigt und brauchte jemanden, der sie verteidigte, denn die Männer in ihrem Umfeld würden das wohl kaum tun. Im Gegenteil,
     bei erster Gelegenheit würden diese Geier über sie herfallen und ihr die Knochen blank picken!
    Amy war sehr zufrieden mit der eindrucksvollen Szene, die sie auf der Bühne eines schäbigen Amtszimmers vor einem feisten,
     müde aussehenden Polizeirat namens Wilhelm Heidegast gespielt hatte, als er sie fragte, ob sie eine Aussage in Sachen Paquin
     machen wolle.
    »Nein, keine Aussage. Ich bin gekommen, um die sofortige Freilassung der Witwe Paquin zu verlangen.«
    »Ach. Darf ich erst einmal fragen, in welchem Verhältnis Sie zu der Dame stehen? Sind Sie eine Verwandte oder   …«
    Amy blickte ihn herausfordernd an. »Sie ist meine Schwester.«
    Er sah überrascht aus. »Von einer Schwester war bislang nicht die Rede. Lassen Sie mich in den Akten nachsehen   …«
    »Das ist nicht nötig. Sie ist meine Schwester in dem Sinne, in dem alle Frauen meine Schwestern sind, vor allem jene, die
     unter der Willkür und Grausamkeit der Männer zu leiden haben.« Amy musterte ihn ingrimmig, fest überzeugt, dass sie einem
     Unhold gegenübersaß, der hilflose junge Frauen in finstere Kerker werfen ließ. Ihre Unterlippe zitterte vor Empörung.
    »Ich bin fassungslos!«, erklärte sie ihm. Ihr Ton war schneidend, ihr rundes Kinn angriffslustig nach vorne gereckt. Die grauen
     Augen blitzten. »Sie verhaften eine Dame – eine ehrbare, unbescholtene Dame – auf albernes Dienstbotengeschwätz hin, werfen
     sie mit dem Abschaum der Straße, mit Dirnen und Diebinnen zusammen in ein schmutziges Gefängnis   …«
    Der alte Bonze besaß die Frechheit, ihr zu widersprechen.
    »Liebe Lady Harrington, es wurde ärztlicherseits festgestellt, dass Frau Paquins Gatte sich das Leben nahm, weil er über einen
längeren Zeitraum hinweg vergiftet worden war, und in solchen Fällen ist der Verdacht zumeist nicht unbegründet, dass die
     Ehefrau die Hand im Spiel gehabt haben könnte.«
    Nun, das war typisch für Männer! Erst wurde ein so armes Geschöpf in der Ehe ausgebeutet, unterdrückt und geplagt, und wenn
     der Ehemann dann starb, wollte man ihr auch noch die Schuld dafür zuschieben!
    »Geschwätz!«, unterbrach ihn Amy also wütend. »Dummes und geschmackloses Küchengeschwätz! Ich verstehe wirklich nicht, warum
     Sie als Vertreter der Behörde solche Narreteien nachplappern! Das nennen Sie wohl eine kriminalpolizeiliche Untersuchung,
     ja? Sonst spielen Sie den Verfechter von Zucht und Ordnung, und dann stecken Sie mit Küchenmägden und Putzfrauen die Köpfe
     zusammen?«
    Ha! Darauf hatte er nichts mehr zu sagen gewusst! Dr.   Taffert, der sie zu dem offiziellen Termin begleitet hatte, hatte danach gar nicht mehr viel zu tun gehabt, als die Formalitäten
     zu erledigen. Im Grunde waren alle Männer feige, man musste ihnen nur die Rute ins Fenster stellen, dann duckten sie sich
     schon.
    In Gedanken ihren Triumph auskostend, merkte sie nicht, dass ein Mann die Stufen zum Hauseingang heraufeilte, und um ein Haar
     wären die beiden zusammengestoßen. Im Licht der Laternen, die zu beiden Seiten des Portals brannten, inmitten der dünnen grauen
     Nebelschleier, die vom Wasser heraufzogen, sah Amy sich einem hageren jungen Mann im Tweedanzug und Kutschermantel gegenüber,
     der offensichtlich zum Haus gehörte, da er einen Schlüsselbund in der Hand trug.
    Sie musterte ihn kurz und argwöhnisch. Er war kein schöner, aber ein ungemein anziehender Mann. Hochgewachsenund eckig, mit scharf ausgeprägten, knochigen

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