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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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entlassen hatte, rief er: »Was für ein
     Döskopp von einem Polizisten muss das gewesen sein, der Sie verhaften ließ!«
    Sie lächelte matt. »Danke. Ich fürchte nur, die meisten Leute sind überzeugt, dass er das Richtige getan hat. Man hat festgestellt,
     dass Raoul tatsächlich lebensbedrohliche Mengen Blei im Körper hatte. Allerdings sagte mir Dr.   Thurner, dass Saturnismus häufig vorkomme und in den meisten Fällen auf Fahrlässigkeit zurückzuführen sei. Lady Harrington
     hat Proben von dem Wein mitgenommen, den Raoul so gerne trank. Sie meint, dieser Malaga könnte verunreinigt gewesen sein.«
    »Lady Harrington?«, fragte er. »Die englische Suffragette, die die Frauen gegen die Männer aufhetzt?« Seine Stimme klang beherrscht,
     aber der darunterliegende Unmut war deutlich zu merken.
    Louise achtete nicht darauf. »Sie hat mir sofort einen Anwalt besorgt, der meine Freilassung erreicht hat, und will sich weiter
     um mich kümmern. Ist das nicht wunderbar?«
    Er gab keine Antwort. Er trat näher, gewandt, grazil, ein Mann, dessen sinnlicher Reiz eher in seinen Bewegungen, seinem Lächeln,
     seiner Stimme lag als in seinen Gesichtszügen. Sie fragte sich unwillkürlich, wie er aussehen mochte, wenn er nackt war.
    Plötzlich überfiel sie der erschreckende Gedanke, dass nichts auf der Welt sie jetzt noch hindern konnte, das herauszufinden.
     Der Mann, dem sie die Treue gehalten hatte, war tot. Sie war frei. Das Blut stieg ihr so heftig in die Wangen, dass sie über
     das Halbdunkel im Zimmer froh war.
    »Brauchen Sie noch irgendetwas, Frau Paquin?«
    Mit spröder Stimme bat sie: »Gehen Sie hinunter und sagen Sie der Köchin, sie soll mir noch einen kleinen kalten Imbiss heraufschicken.
     Und zwei Wärmflaschen, sonst glaube ich, in einem Bergwerk zu schlafen.« Sie hatte Angst, er könnte merken, wie verwirrt sie
     war, und damit nur ja keine peinliche Pause aufkam, sprach sie das Nächstbeste aus, das ihr in den Sinn kam. »Ach, Frederick,
     wissen Sie zufällig, wo der Schlüssel zu Raouls Tresor geblieben ist?«
    »Nein. Schlesinger hat mich auch schon danach gefragt. Aber in Herrn Paquins Schlafzimmer ist er nicht, obwohl er ihn immer
     dort aufbewahrte.«
    Er blickte sie besorgt an. »Wollen Sie sich nicht ans Feuer setzen? Sie sind ganz blass vor Kälte.«
    Sie gehorchte, aber kaum war er gegangen, fuhr ihr ein Gedanke durch den Kopf, und sie sprang wieder auf. Feuer. Der Badeofen.
     Als Raoul so viele Papiere hineingeworfen hatte, hatte er da vielleicht dasselbe auch mit dem Schlüssel zu seinem Privatissimum
     getan?
    Eilig lief sie hinaus, den Flur entlang bis zum Badezimmer. Wie erwartet, hatten die Mägde sich die Mühe erspart, den Ofen
     zu reinigen. Der Aschenkasten war voll bis zum Rand. Sie stocherte darin herum, breitete dann ein Handtuch auf dem Boden aus
     und schüttete die kalte Asche darauf. Wenig später hielt sie zwei Schlüssel an einem Ring in der Hand. Der zierliche Tresorschlüssel
     war durch die Hitze unbrauchbar geworden, denn die feinen Zacken waren miteinander verschmolzen. Sie würden einen neuen Schlüssel
     anfertigen lassen müssen.
    Dann sah sie, dass der zweite Schlüssel kein anderer sein konnte als der zum Thesaurus, in den sie so gerne einen Blick geworfen
     hätte. Rasch barg sie ihn in der Kleidertasche, wusch sich die Hände und eilte zurück ins Boudoir.
    Anke, eines der Dienstmädchen, kam mit dem Tablett, und Louise wurde unbarmherzig daran erinnert, dass man sie verabscheute.
     Aufsässige Augen in einem Pfannkuchengesicht musterten sie. Das »Wünschen Sie noch etwas, gnädige Frau?« klang flach und kalt.
     Als sie mit einem »Nein, danke« antwortete, begnügte sich das Mädchen mit einem Achselzucken und schlappte betont gleichgültig
     aus dem Zimmer.
    Louise starrte ihr mit schmalen Augen nach. Plötzlich hatte sie keinen Appetit mehr auf das ohnehin lieblos auf den Teller
     geschaufelte Essen.
    »Ich habe Ihnen die Wärmflaschen gebracht. Das Dienstmädchen hatte sie vergessen.« Frederick Hansen kam mitlangen, leisen Schritten in den Raum. Wie anmutig er sich bewegte – so beherrscht und geschmeidig zugleich. Er schlug die
     Bettdecke zurück, legte die metallenen Flaschen ans Fußende und deckte das Bett wieder zu. Anstatt jedoch wieder zu gehen,
     nachdem er seine Arbeit getan hatte, blieb er stehen.
    »Ich   … Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich den gnädigen Herrn auch sehr vermisse.« Er hatte eine freundliche, Vertrauen erweckende
    

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