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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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Erst als er sie
     anredete, drehte sie sich um. Er folgte ihr in den Salon, und kaum war die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen, schloss
     er Louise in die Arme und drückte sie eng an sich. Plötzlich lächelte er, und sein Blick glitt anerkennend über ihre veränderte
     Erscheinung.
    »Ich verstehe jetzt, warum du unbedingt ein neues Kleid kaufen wolltest.«
    »Wirklich?«
    »Frauen, die ein neues Leben anfangen, brauchen dazu immer neue Kleider.«
    Sie erwiderte sein Lächeln, erfreut, dass er sie verstand.
    »Ich hatte schon Angst, du würdest mich verdächtigen, dass ich so unmittelbar nach dem Tod meines Mannes nichts anderes im
     Kopf hätte als Putz und Tand. Ich musste einfach raus aus diesen fürchterlichen Zwangsjacken mit ihren Tausenden von Rüschen,
     Schleifen, Volants und Häkchen. Ich muss mich frei bewegen können.« Tränen stiegen ihr in die Augen, während ihr Mund weiter
     lächelte. »Armer Raoul! Er wäre schrecklich indigniert gewesen, wenn er mich so gesehen hätte.«
    Frederick beugte sich über sie und küsste sie auf die Wange. »Gestern war gestern, und heute ist heute«, sagte er. Sie verstand,
     dass er damit nicht nur die Kleider meinte. Seine Bemerkung bedeutete: Raoul war gestern, und heute bin ich.
    Eine Welle schlechten Gewissens überschwemmte sie. Wenn sie ihm nun die Wahrheit sagte? Frederick, ich kann deine Liebe nicht
     erwidern? Ich brauche dich nur dazu, dass du mich stützt und wärmst? Dann würde er zu Recht gekränkt sein und sich ihr entziehen,
     und das ertrug sie nicht. Später, dachte sie verzweifelt, später werde ich ihm erklären, wie die Dinge liegen   … sobald sich alles ein wenig beruhigt hat und die schlimmste Krise vorbei ist   …
    Als sie den Kopf hob, blickte sie ihm geradewegs in die Augen, und ein jäher Schreck durchfuhr sie bei dem Gedanken, dass
     ihr diese olivfarbenen Augen ins Innerste blickten – dass er genau wusste, welchen Stellenwert er in ihrem Herzen hatte und
     diesen geringen Wert geduldig akzeptierte. Sein Blick war tief und ernst. Sie erinnerte sich daran, wie unverbrüchlich er
     Raoul die Treue gehalten hatte, noch zu einer Zeit, als dieser ihn schlechter als einen Hund behandelte.
    »Ich liebe dich«, sagte er leise.
    Sie lächelte ihn an, froh über seine vertraute Gegenwart. Und doch schien es ihr, dass er nicht mehr ganz derselbe Mann war,
     den sie bislang gekannt hatte. Raoul gegenüber war er allezeit geduldig und unterwürfig gewesen, um den alten Mann, den er
     liebte wie einen Vater, nicht zu erbittern. Jetzt erschien er ihr wie ein im Zwinger gehaltenes Tier, das die Tür offen sieht
     und sich witternd und spähend in die Freiheit vortastet – und mit jedem Schritt mehr zum Raubtier wird. Als er mit Amy gestritten
     hatte, war etwas Fremdes an ihm gewesen, ein Unterton von Vulgarität, den sie nie von ihm erwartet hätte, etwas Gassenjungenhaftes
     und Rauflustiges. Selbstverständlich war er bei alledem noch im Rahmen des Anstands geblieben, aber ein unbestimmter Verdacht
     keimte in ihr, dass er, bis aufs Blut gereizt, über diesen Anstand hinausgehen könnte.
    Und sie selbst? War sie noch die Frau, die sie am Morgen des siebten Februar gewesen war? Sie war es auch nicht mehr.

D as mongolische E lixier
    1
    Die Nacht vom neunten auf den zehnten Februar war kalt. Schneeflocken ritten, vom eisigen Nordwind getragen, in wirbelnden
     Schwärmen durch die Dunkelheit und blieben wie winzige, spinnenähnliche Tiere am Fensterglas kleben. Im Kamin in Lady Amys
     Boudoir erlosch allmählich das Feuer, denn es war Zeit, sich zu Bett zu begeben. Die junge Dame saß eben bei ihrem Nightcap
,
einer Tasse Malzmilch mit ein paar Keksen, als ihre Zofe einen ungebührlich späten Besucher meldete.
    »Der Butler wollte ihn um diese Zeit gar nicht mehr hereinlassen, aber er sagte, Sie wollten die Ergebnisse so schnell wie
     möglich sehen. Er kommt vom Labor.«
    »Oh!« Amy sprang so heftig auf, dass sie beinahe ihre Milch verschüttet hätte. »Ich komme sofort hinunter.«
    In der Halle wartete ein junger Mann in Stiefeln und Mantel, seinen Hut hielt er in der Hand. Unter dem Mantel blitzte weiß
     ein Laborkittel hervor. »Lady Harrington?« Er reichte ihr einen dicken versiegelten Umschlag. »Hier ist eine Kopie der Ergebnisse,
     die Sie sehen wollten. Die Originale gingen an Dr.   Taffert.«
    »Ich weiß.« Amy erbrach an Ort und Stelle das Siegel undzog den mit Maschine geschriebenen Befund heraus. Ihr Blick suchte die

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