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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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krank geworden ist. Sehen Sie, hier. Das hat Raoul gekauft, nicht wahr?«
    Er machte eine kaum sichtbare, bejahende Geste. Langsam und lautlos in seinen Hausschuhen trat er näher, legte seine weiße
     Hand auf den Rand der Schatulle. »Die Springwurzel«, sagte er mit einer seltsam gedrückt klingenden Stimme. »Mandragora officinarum
     aus der Pflanzenfamilie der Solanaceen. Ein Nachtschattengewächs. Eine betäubende, die Geschlechtslust reizende und überaus
     gefährliche Pflanze.«
    »Ist sie deshalb so eingewickelt? Damit niemand mit ihrem Gift in Berührung kommt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Man bekleidet sie, weil der Aberglaube behauptet, die Alraune sei ein lebendiges Wesen. Eine
     Art spiritus familiaris, die ihrem Besitzer wertvolle Dienste leistet. Sie befreit ihn von allen Krankheiten undLeiden, hilft ihm, verborgene Schätze zu entdecken, sodass er schnell reich wird und bei seinen Mitmenschen hohes Ansehen
     genießt, und sie sichert ihm Erfolg in Liebesabenteuern. Entsprechend ehrerbietig muss sie behandelt werden. Man muss sie
     jede Woche in Wein baden und mit Wein und Weißbrot füttern, sonst wird sie bösartig und ruft Unglück hervor.« Langsam und
     vorsichtig, als könnte das Wurzelmännlein sich durch eine hastige Bewegung gestört fühlen, schloss er die rote Schatulle.
     »Ist es nicht seltsam«, sagte er, »wie sich die Ängste der Abergläubischen zuweilen zu erfüllen scheinen?«
    Sie protestierte verzweifelt gegen das Zerrbild ihres Gatten, das bei diesen Worten vor ihr auftauchte. »Sie wollen doch nicht
     behaupten, dass Raoul solche Altweibergeschichten glaubte? Er war so scharfsinnig, so skeptisch!«
    Schlesinger machte mit einer Hand eine Gebärde, die den Raum umfasste. »Das hier ist seine Sammlung. Was sagt Ihnen das? Die
     Pharmazie hat lange, dunkle Wurzeln, Frau Paquin. Wie die Alraune aus besudeltem Boden wächst, so ist sie aus der Giftmischerei
     und den Künsten der Zauberpriester erwachsen. Drüben in der Apotheke sehen Sie nur ihre hellen und heilsamen Blüten, hier
     sehen Sie ihre Wurzeln. Das ist der Grund, warum Herr Paquin sein Interesse nur mit mir teilte. Es hätte seinem Geschäft schweren
     Schaden getan, wäre die Sammlung hier zum Gegenstand von Klatsch und Tratsch geworden.«
    »Woher hatte Raoul diese Schatulle?«
    »Das weiß ich nicht. Ich kenne den Verkäufer nicht. Ein Ausländer, der im vergangenen Oktober spätabends zu Herrn Paquin ins
     Kontor kam. Er trug eine senffarbene Kutte und hatte ein flaches, kupferfarbenes Gesicht. Ich hielt ihn füreinen Mongolen. Er trug eine Schatulle in Händen, die in Wachstuch gewickelt war, weil es draußen stark regnete.«
    »Aber wenn Sie bei diesem Handel anwesend waren, müssen Sie doch irgendetwas gehört haben? Was sagte denn mein Mann?«
    Schlesinger wand sich. »Ich war nicht wirklich dabei. Ich meine, ich hatte spät gearbeitet und wollte gerade gehen, als dieser
     Mongole an die Scheibe klopfte. Mir gefiel er nicht, und Apotheken werden immer wieder überfallen, also deutete ich ihm, er
     solle verschwinden. Aber da kam Herr Paquin aus dem Kontor und ließ ihn ein, und ich   … ich ging den beiden aus dem Weg, weil ich nicht mit ihnen zusammenstoßen wollte, und   …«
    Louise hob, berstend vor Ungeduld, beide Hände. »Nun kommen Sie, Sigmund, jetzt reden Sie nicht um den heißen Brei herum.
     Sie haben spioniert. Wen kümmert das jetzt noch? Ich muss den Verkäufer dieser Schatulle ausfindig machen, alles andere interessiert
     mich nicht. Also? Was haben Sie gehört und gesehen?«
    Der Magister zögerte, er blickte beschämt zu Boden, als hätte er etwas höchst Unanständiges getan, aber dann gestand er: »Nicht
     viel. Sie schlossen die Tür des Arbeitszimmers hinter sich und ich hörte den Riegel klicken, aber es gibt ja das Fenster zum
     Hinterhof, und da es draußen stockdunkel und regnerisch war, brauchte ich nicht zu befürchten, dass sie mich sehen könnten.
     Drinnen brannte eine Lampe. Herr Paquin nahm das Kästchen entgegen, bezahlte den Mongolen – mit ziemlich viel Geld, wie es
     mir schien   –, ließ ihn hinaus und rief ihm einen Einspänner.« Ein schmales Lächeln verzog seine Lippen. »Herr Paquin hätte niemals jemanden
     bei Kälte und Regen zu Fuß nach Hause gehen lassen.«
    »Und weiter?«
    »Es hat mich interessiert, was diese Heimlichtuerei zu bedeuten hatte. Sonst hatte er niemals Geheimnisse vor mir gehabt.
     Also beauftragte ich einen Privatdetektiv, der mir

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