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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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worden war!
    Sie klappte vorsichtig den Deckel auf. Einen Augenblick meinte sie, einen Sarg in Händen zu halten, denn der mitkarmesinrotem Samt ausgeschlagene Behälter beherbergte ein spannenlanges, runzliges, schwarzbraunes Wesen mit einem dicken
     Kopf und fadendünnen Ärmchen. Es war in rote und weiße Seide gewickelt und mit einem schwarzen Samtumhang bedeckt. Dann ging
     ihr Atem wieder leichter, denn jetzt erkannte sie das so menschlich aussehende Ding. Eine Zauberwurzel war es, ein Galgenmännlein
     – so genannt, weil es hieß, dass sie nur am Fuße eines Galgens wachsen könne, wo die Erde vom Sperma eines Gehenkten durchtränkt
     war.
    Links und rechts von dem Wurzelmännchen befanden sich einunddreißig mit karmesinrotem Samt ausgeschlagene Vertiefungen, und
     in jeder steckte aufrecht eine verkorkte, mit rotem Wachs versiegelte Phiole mit einer bläulich irisierenden, öligen Flüssigkeit
     darin. Fünf der Phiolen waren leer, der Rest voll.
    Sie nahm mit spitzen Fingern eine der Phiolen aus der Vertiefung, in der sie ruhte, brach das mit unleserlichen Schriftzeichen
     signierte Siegel, entkorkte sie und roch daran. Ein starker Geruch nach Ingwer, Alkohol und Kampfer drang heraus. Es war eindeutig
     ein Stärkungsmittel, und die Gegenwart der Alraune wies es als Aphrodisiakum aus. Die meisten dieser Mischungen, das hatte
     Raoul ihr selbst gesagt, als er noch gesund war, enthielten ebenso gefährliche wie unappetitliche Ingredienzien. Sie wurden
     aus vielerlei Zutaten hergestellt, aus Elfenbein, spanischer Fliege, Myrrhe, indischem Hanf, Nashorn-Pulver – und auch aus
     Bleizucker. Kraftlose Männer schluckten bereitwillig die scheußlichsten Mixturen, wenn sie sich davon Hilfe versprachen.
    Sie hatte noch seine Stimme im Ohr, wie er sagte: »Auch kluge und gelehrte Männer können sich nicht dem magischenDenken entziehen, dass eine Arznei umso besser wirkt, je unverständlicher die Schriftzeichen darauf sind und je unheimlicher
     der Kerl, der sie ihnen in seinem übel riechenden Laden verkauft.« Und nun war er selbst ein Opfer dieser gefährlichen Narretei
     geworden!
    Sie tauchte die Kuppe des kleinen Fingers in die Flüssigkeit und leckte daran. Es schmeckte zuckersüß. Das allein war natürlich
     noch kein Beweis. Ob es tatsächlich Blei enthielt, musste ein Chemiker feststellen. Aber ihr Gefühl sagte ihr, dass sie auf
     der richtigen Spur war.
    Louise stützte die Hände auf den Tisch und starrte das Ding an. Ihre Gedanken überschlugen sich. Fünf der Phiolen waren geleert.
     Offenbar war für jeden Tag eines Monats eine vorgesehen, also hatte Raoul die letzte am fünften Februar eingenommen. Drei
     Monate war er von Tag zu Tag elender geworden. Das Behältnis war also drei Mal nachgefüllt worden, das machte etwa neunzig
     Portionen. Wenn diese Phiolen tatsächlich Bleizucker enthielten, ergab das eine zweifellos lebensgefährliche Menge.
    »Frau Paquin?«, fragte eine leise Stimme hinter ihrem Rücken. »Was machen Sie hier mitten in der Nacht?«
    Louise taumelte, als hätte ihr jemand einen Schlag zwischen die Schulterblätter versetzt. Sie hatte niemanden kommen gehört,
     und obwohl sie die Stimme augenblicklich als die des Magister Schlesinger erkannte, erschrak sie vor ihm wie vor einem Fremden.
     Der Atem stockte ihr, eine Welle von Übelkeit krampfte ihr Brust und Kehle zusammen, und sie sackte vornüber auf den Tisch.
     Zwei, drei Herzschläge lang lag sie so da, dann atmete sie wieder. Eiskalte Schauer liefen ihr über den Rücken, als sie sich
     aufrichtete.
    »Du meine Güte, haben Sie mich erschreckt!«, stieß siemit rauer, gebrochener Stimme hervor. »Ich dachte   … Ich dachte   …« Sie verstummte.
    »Was machen Sie denn hier?«, wiederholte er. »Herr Paquin hat nicht gewollt, dass Sie den Thesaurus betreten.«
    Louise ließ sich auf den hölzernen Stuhl sinken. Die Nebel vor ihren Augen verschwanden. Zum ersten Mal in ihrem Leben sah
     sie den Magister nicht in seiner üblichen adretten Kleidung, sondern in Pantoffeln und einem Morgenmantel aus grauem Vlies.
     Offenbar hatte er in der Wohnung über der Apotheke geschlafen, wie er das manchmal tat, wenn er lange gearbeitet hatte. Vielleicht
     war diese ungewohnte Bekleidung der Grund, warum er ihr fremd und sogar ein wenig beunruhigend erschien.
    Sie fasste sich langsam wieder. Ohne auf seinen Vorwurf einzugehen, sagte sie: »Ich habe etwas Wichtiges gefunden, Sigmund.
     Ich glaube, ich weiß jetzt, wovon mein Mann

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