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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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Ohlsdorfer Friedhof. Kurz vor der vorgesehenen Grube hielt der Trauerkondukt
     an, der Sarg wurde aus dem Wagen gehoben und von sechs Männern auf den Schultern getragen. So viele Kränze und Blumenbukette
     waren gespendet worden, dass hinter jeder vornehmen Kutsche mehrere Domestiken nachgingen und die Pracht aus Blüten und Blättern,
     Palmwedeln und Lilien trugen. Es nieselte. Wie Tau lagen die Regentropfen auf den kostspieligen Kränzen, mit denen die Freunde
     des Verstorbenen sich dafür entschuldigten, dass sie ihm in seinen letzten Lebensmonaten keine Freunde mehr gewesen waren.
     Viele Honoratioren der Stadt Hamburg waren unter den Trauergästen: Ratsherren, Kaufleute, Geistliche, Schiffsherren und hohe
     Beamte. Der Apotheker hatte streng zwischen seinem geselligen öffentlichen und seinem zurückgezogenen privaten Leben getrennt.
     Aber nicht nur deshalb schritt die verschleierte Witwe ganz allein hinter dem Sarg her. Es war nur allzu deutlich zu sehen,
     dass man sie mied. Die nächsten Verwandten   – Hermine von Pritz-Toggenau, deren Kinder und Paula Hahne – hielten demonstrativ Abstand. Auch Frederick Hansen hielt sich
     zurück, aber er tat es, um die junge Frau nicht in aller Öffentlichkeit zu kompromittieren.
    Wer sich allerdings um die Verstoßene scharte, waren die Damen vom Rechtsschutzverein. Unbekümmert darum, dass allein die
     Angehörigen das Recht hatten, als Erste dem Sarg zu folgen, hielten sie sich, zehn oder zwölf an der Zahl, zwar aus dem eigentlichen
     Trauerzug heraus, schritten aber wie eine Leibgarde links und rechts der Witwe am Rand entlang.
    Gützlow musterte die Reihen der Trauernden. Ihm fiel auf,dass eine Truppe Leute anwesend war, die offenbar zu den Angestellten der Apotheke zählte, der Magister Schlesinger fehlte
     jedoch. Seltsam, ging es ihm durch den Kopf. Wie kommt es, dass ein so treuer Angestellter seinen Herrn nicht auf dem letzten
     Weg begleitet? Vielleicht ist er ja krank. Hansen muss das wissen.
    Er schlich sich unauffällig an den Privatsekretär heran, der ihn erstaunt ansah, dann aber höflich grüßte. Gützlow lächelte
     und hob beschwichtigend beide Hände. »Ich bin nicht im Dienst, Herr Hansen.« Er fiel neben dem jungen Mann in Schritt, als
     gehörte er ganz selbstverständlich zu der Trauergemeinde. Mit gedämpfter Stimme sagte er: »Ich wollte nur einmal ein Leichenbegängnis
     erster Klasse sehen. Du meine Güte, hier ist ja alles vertreten, was in Hamburg Rang und Namen hat!« Er schwätzte eine Weile
     weiter, dann flocht er beiläufig ein: »Ich sehe den Magister Schlesinger nicht, ist er krank?«
    Hansen sah sich um und zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Tatsächlich. Das ist mir gar nicht aufgefallen. Ich kann mir
     nicht vorstellen, wo er geblieben ist, er sollte doch im Namen der Angestellten ein paar Worte am Grab sprechen. Vielleicht
     hat er Lampenfieber bekommen.«
    »Vielleicht«, sagte Gützlow und trat so unauffällig aus der Reihe, wie er gekommen war. Sein Polizisteninstinkt rührte sich,
     obwohl die Sache ja keine große Bedeutung haben mochte. Vielleicht hatte der Magister sich erst kurz vor dem Aufbruch zum
     Friedhof nicht wohl gefühlt oder es war ihm sonst etwas in die Quere gekommen. Dennoch wollte er der Sache nachgehen, sobald
     die Feierlichkeiten beendet waren, denn an Zufälle glaubte er grundsätzlich nicht.
    Vorsorglich, wie er gewesen war, hatte Raoul Paquin seineGrabstelle längst bereitet gehabt, ein einfaches, säulenförmiges Grabmal aus Sandstein, das von einem Kreuz gekrönt wurde,
     über einer für nur zwei Personen ausgelegten Gruft. Welche Bitterkeit ihn in seinen letzten Lebenswochen erfüllt hatte, zeigte
     sich darin, dass die ursprüngliche Inschrift auf dem Gruftdeckel abgeschliffen und durch eine andere ersetzt worden war: Poena
     fuit vita, requies mihi morte parata est. Die Strafe war das Leben, der Tod hat mir Erlösung gebracht.
    Der Sarg wurde abgesetzt und hinabgelassen. Louise trat, von vielen Seiten mit bösen Blicken bedacht, als Erste an die offene
     Grube.
    Sie schlug den Witwenschleier zurück und wandte den Kopf nach allen Seiten, dann neigte sie sich dem Grab zu. Mit lauter,
     klingender Stimme rief sie: »Raoul, du bist mein Zeuge, dass ich unschuldig bin an dem Leid, das dich zerstört hat!« Vor den
     Augen aller Trauergäste zog sie ihren Ehering ab und ließ ihn zusammen mit dem herrlichen Strauß weißer Blumen auf den Sarg
     fallen. Tränen hingen an ihren Wimpern,

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