Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers
sehr ausgiebig tun.«
Beifall ertönte von allen Seiten.
An diesem Morgen holten jedoch auch die Schwierigkeiten einer reichen Frau die unerfahrene Louise ein. Emil verlangte sie
zu sprechen. Er legte ihr einen Packen Schuldscheine vor.
»Du musst mir aus der Patsche helfen. Ich komme in ernste Schwierigkeiten, wenn ich nicht bezahle, ich werde vielleicht sogar
aus der Armee geworfen …«
»Emil, ich sehe keinen Anlass, deine Spielschulden zu bezahlen«, unterbrach sie seinen Redeschwall.
»Nun komm schon.« Er legte ihr brüderlich einen Arm um die Schultern. »Wir haben uns doch immer gut verstanden, und für dich
bedeutet es einen Klacks, jetzt, wo du den Löwenanteil geerbt hast. Du bist eine schwerreiche Frau.«
»Ich würde es vermutlich nicht mehr lange sein, wenn ich alles, was du am Kartentisch verlierst, bezahlen würde. Nein, Emil.
Deine Schulden sind deine Sache.«
Er ließ sie los und betrachtete sie aus feindseligen Augen. »Ach, jetzt willst du wohl mit der armen Verwandtschaft nichts
mehr zu tun haben, nachdem dir der große Coup gelungen ist? Arm wie eine Kirchenmaus warst du, als du hier über die Schwelle
getreten bist, und jetzt hältst du dich für eine Fürstin? Schämst du dich nicht zuzusehen, wie es der Familie deines Gatten
schlecht geht, während du dich im Gold wälzt?«
Sie spürte einen Knoten im Magen bei dem Gedanken, als bettelarmes Waisenmädchen einen reichen Mann geheiratet und schließlich
beerbt zu haben. Um ein Haar hätte sie Emils Drängen nachgegeben. Den Rücken stärkte ihr nur die Scham, wenn sie daran dachte,
was Dr. Taffert sagen würde, der im Augenblick noch das Vermögen verwaltete. Schließlich hatte er sie vor genau solchen Aasgeiern
gewarnt. Was Amy sagen würde, wagte sie sich gar nicht vorzustellen.
»Es tut mir leid, Emil«, stieß sie mit gepresster Stimme hervor. »Ich habe euch das Wohnrecht im Haus überlassen, das genügt
wohl. Ich werde weder deine Spielschulden noch die Schneiderrechnungen deiner Mutter und Schwester bezahlen. Auf Wiedersehen.«
Emil starrte ihr mit hochroten Wangen nach, als sie sichumdrehte und ging. Wütend schrie er quer durch die Apotheke: »Hol dich der Teufel, du goldene Gans!« Er sammelte seine Schuldscheine
zusammen und stürmte mit langen Schritten aus der Tür.
Er war der Erste, der sie anbettelte, aber beileibe nicht der Einzige. Es hatte sich in Windeseile in Hamburg herumgesprochen,
dass die Witwe des Apothekers nun eine reiche Erbin war. Bald schien ihr, dass jeder, der betteln, borgen oder sich etwas
ergaunern wollte, bei ihr vorsprach. Es wurde so schlimm, dass sie am liebsten geflohen wäre und es den Angestellten der Apotheke
überlassen hätte, die Aasgeier abzuschmettern, aber das ließ Amy nicht zu.
»Du musst ihnen zeigen, aus welchem Holz du geschnitzt bist, my dear! Lass dich nicht weichklopfen. Es muss sich herumsprechen,
dass bei dir nichts zu holen ist. Niemand hätte es gewagt, deinen Gatten um Geld anzubetteln. Einen solchen Respekt der Bürger
musst du dir zwar erst erarbeiten, aber du schaffst das!«
Louise rang unglücklich die Hände. »Ich will nicht gern in den Ruf kommen, hartherzig zu sein, und manche dieser Leute tun
mir so leid. Ich weiß doch, wie es ist, arm zu sein. Es ist so schwierig, gerecht zu sein und sich dabei doch nicht ausnehmen
zu lassen.«
»Du musst erst lernen, die wirklich Armen von denen zu unterscheiden, die es sich nur auf deine Kosten gut gehen lassen wollen.
Jeder kann schließlich die Hand ausstrecken und betteln. Gib ihnen nur ja kein Geld! Dein Mann hat das auch nicht getan. Stattdessen
hat er Herbergen errichtet, in denen die Hungrigen zu essen und die Obdachlosen ein Bett bekommen.«
Louise sah ein, dass das ein vernünftiger Ratschlag war, aberes fiel ihr schwer, den vielen, die bei ihr für sich selbst oder für gute Werke bettelten, ihre Hilfe abzuschlagen. Sie wollte
auch nicht auf Schritt und Tritt von Amy begleitet werden, die sich energisch zwischen sie und die vielen Bittsteller stellte.
Schließlich fand sie nach langem Überlegen eine Lösung. Sie ließ ein Plakat neben der Apotheke anbringen, in dem Hungernde
und Frierende an die verschiedenen Angebote der Paquin-Stiftung verwiesen wurden. Diejenigen, denen es wirklich um eine warme
Suppe oder ein Dach über dem Kopf ging, würden dort Hilfe finden. Allen denjenigen, die sie um die Finanzierung wohltätiger
Werke oder eine Investition in
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