Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers
Abbé kommt.«
»Hat sie dich geschickt, mir das zu sagen? Wenn sie etwas will, soll sie selbst kommen.«
Amy legte ihr den Arm um die Schultern und drückte sie an sich. »Nein, sie hat mich nicht geschickt. Und sie wird auch nicht
kommen. Sie will dir keine Gelegenheit geben, sie so sehr zu demütigen.«
»Sie hatte aber keine Skrupel, mich zu demütigen.«
Ganz unerwartet fiel Frederick ein. »Louise, du weißt, ich kann die Leute nicht ausstehen, aber ich glaube, Lady Harrington
hat recht. Es wäre hartherzig, sie jetzt Hals über Kopf an die Luft zu setzen. Lass sie drüben wohnen, bis Abbé Maxiant das
Haus für seine Kranken in Beschlag nimmt. Übrigens, wenn es dich freut: Nichts demütigt einen Unterlegenen mehr als ein großmütiger
Gegner.«
Louise sah, dass sie sich vor beiden Freunden in ein schlechtes Licht setzen würde, wenn sie weiter auf ihrem Groll beharrte,
also wandte sie sich an Amy. »Ich möchte das nicht persönlich erledigen, sonst fangen wir sofort wieder einen hässlichen Streit
an. Könntest du ihnen ausrichten: Sie dürfen weiter in dem Haus wohnen, bis der Abbé dort einzieht, und auch die Vorräte im
Keller verzehren, nur wegschleppen dürfen sie nichts mehr, sonst fordere ich es von ihnen zurück. Und sie möchten mir bitte
nicht über den Weg laufen.«
»Du bist ein Schatz.« Amy sprang auf und eilte davon. Schon in der Tür rief sie zurück: »Wartet mit den Trüffelpasteten auf
mich, ich komme gleich zurück!«
Frederick sah ihr nach, dann sagte er, wobei er das Champagnerglas zwischen den Fingern drehte: »Kein Wort der Gratulation
zu meinem Erbe. Wahrscheinlich vermutet sie, ich hätte das Testament gefälscht oder Raoul mit angesetzter Pistole gezwungen,
es zu schreiben.«
»Ja. Das denke ich auch«, sagte Louise lächelnd, ergriff seine Hand und zog sie an die Wange. »Komm, sei fröhlich. Lass uns
nur daran denken, dass dieser leidige Testamentsstreit jetzt entschieden ist und wir alle Sorgen los sind. Und wenn wir gegessen
und getrunken und Amy verabschiedet haben, dann wollen wir die ganze Nacht gemeinsam feiern.«
Sie wurden von Amy unterbrochen, die mit eiligen Schrittenzurückkam. »Ich habe deine Nachricht überbracht«, meldete sie. »Ich denke, ihnen allen ist ein schwerer Stein vom Herzen gefallen.«
Louise, die sich von ihren Freunden unter Druck gesetzt fühlte, grollte. »Na, vielleicht fordern sie auch noch von mir, dass
ich ihre Schulden bezahle.«
Amy errötete. Sie trat ans Fenster und spähte zwischen den Portieren hinaus in die von graupeligem Regen durchpeitschte Nacht.
»Nun ja! Es wird eine Weile dauern, bis sie einsehen, dass sie von ihren Ansprüchen Abschied nehmen müssen. Oh, da kommt die
kalte Platte! Vielen Dank, Marie, das sieht wunderbar aus. Wenn du jetzt gehen möchtest, mach dir mit der Köchin einen gemütlichen
Abend, ich brauche dich nicht mehr.«
Das Mädchen knickste und ging.
Die garnierte Fischplatte mit Lachs, Garnelen, Kaviar und einem Kranz heißer Pastetchen am Rand war exzellent, und angesichts
des guten Essens und des reichlich genossenen Champagners löste sich die Spannung zwischen den drei jungen Leuten. Das Gespräch
wurde locker und vergnügt. Als Amy sich gegen elf Uhr verabschiedete, hatten sie einen sehr fröhlichen Abend verbracht.
Und die Nacht wurde noch schöner.
4
Am nächsten Morgen erwartete die Angestellten der Apotheke eine gewaltige Überraschung. Das Ölgemälde des verstorbenen Besitzers
war von seinem Platz an der Wand jenseits des Rezepturtisches entfernt worden, und an seiner Stelle hing ein goldener Rocaille-Rahmen
– leer.
Nachdem sich die erste Aufregung darüber, dass der Weiterbestand der Apotheke nun gesichert war, gelegt hatte, rief Louise
die Angestellten zusammen und hielt ihnen mit heißen Wangen und vor Erregung bebender Stimme eine kurze Rede.
»Ich weiß, Sie alle wundern sich, was dieser leere Rahmen soll. Nun, er ist dafür vorgesehen, mein Porträt aufzunehmen, sobald
ich genug gelernt habe, um nicht nur in finanzieller Hinsicht die Besitzerin des ›Markus-Löwen‹ zu sein. Ich habe diese Apotheke
vom ersten Tag an geliebt, an dem ich hier hereingekommen bin, und diese Liebe ist mit jedem Tag gewachsen. Könnte ich es,
so würde ich die Ausbildung zur Apothekerin machen. Leider ist das uns Frauen verboten, wie so vieles andere auch. Aber niemand
kann mir verbieten, meinen Leuten bei der Arbeit zuzusehen, und das werde ich
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