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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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Trunkenbolden. Alle vier hatten sich halb totgesoffen. Der Baron lag in dem Bett, das er beinahe
     bis über den Rand hinaus ausfüllte, und schnarchtemit weit aufgesperrtem Mund. Emil hatte sich voll angekleidet auf dem Diwan ausgestreckt. Der Ältere seiner beiden Kameraden
     war halb über den Tisch gesunken, den Kopf auf den verschränkten Armen, die in einer Weinpfütze ruhten. Der Jüngere saß mit
     lang ausgestreckten Beinen an der Wand, sein Kopf hing auf die von Erbrochenem besudelte Brust herab.
    Gützlow beugte sich über den Hausherrn, sah aber sofort, dass es unmöglich sein würde, ihn aus dem doppelten Rausch zu wecken.
     Der Mann strömte beißenden Äthergeruch aus. Er schlief gurgelnd und schnarchend, die Hände über dem wie ein Fass gewölbten
     Bauch gefaltet, in jenem unansprechbaren Stupor befangen, den eine hohe Dosis des gasförmigen Rauschmittels hervorrief. Sein
     Kopf ruhte schwer wie ein Stein auf dem Kissen.
    Gützlow beugte sich über ihn und sah, was Emil und Dr.   Thurner irritiert hatte: Da, auf dem weißen Kissen, glitzerten lange grau-blonde Haarbüschel. Der Blick in Gützlows blauen
     Augen wurde scharf. Er zischte leise: »Sehen Sie sich das an, Dr.   Brett.«
    Der Arzt beugte sich über den Schlafenden und hob eine Locke vom Kissen. Er trug sie zu der Lampe und betrachtete sie im hellen
     Licht erst mit bloßem Auge, dann durch eine Lupe.
    »Ist es das, was der Oberleutnant befürchtet hat?«, fragte Gützlow ungeduldig.
    »Ja. Dieses Büschel wurde weder ausgerissen noch abgeschnitten, es hat sich aus der Kopfhaut gelöst.« Er eilte auf den Zehenspitzen
     tänzelnd zum Bett hinüber, schaltete die Lampe darüber ein und fuhr dem Berauschten mit gespreizten Fingern durchs Haar. Überall
     in der kürzlich noch so dichtenLöwenmähne zeigten sich kahle Stellen, wo das Haar büschelweise ausgefallen war.
    »Früher, so sagte man mir, hatte er Locken wie Samson«, erklärte Gützlow.
    »Samson ist seiner Delila begegnet.« Dr.   Brett kicherte. »Oder sollen wir sagen, seiner Lucretia? Ich möchte mich vorerst nicht festlegen, aber ich würde sagen, wir
     haben hier einen Fall von akuter Thalliumvergiftung vor uns.«
    »Woran erkennen Sie das?«
    Der Polizeiarzt hielt das Haarbüschel in die Höhe. »Daran. Betrachtet man das Kopfhaar eines durch Thallium Vergifteten mit
     der Lupe, findet man darin deutliche schwarze Ablagerungen an den Haarwurzeln. Diese Pigmentverfärbung tritt ausschließlich
     bei Thalliumvergiftungen auf. Voilà, hier ist sie!« Er legte das Büschel in einen Briefumschlag, verklebte ihn und deutete
     dann auf den Baron. »Auf jeden Fall werde ich diesen Mann hier den Armen seiner liebenden Familie entreißen und ins Spital
     befördern, wenn er noch eine Chance haben soll.«
    Sobald Dr.   Brett hinausgegangen war, um nach dem Sanitätswagen zu telefonieren, wandte Gützlow seine Aufmerksamkeit den militärischen
     Zechbrüdern zu. Es brauchte viel frische Luft und kräftiges Rütteln, bis es ihm gelang, die Herren aus ihrem Rausch zu wecken.
     Die beiden Gäste wurden eilig verabschiedet und Emil ins Bad befördert. Mittlerweile wollten die Baronin und ihre schöne Tochter
     unbedingt wissen, was der behördliche Besuch zu bedeuten hatte, und Gützlow beschloss, die Befragung mit ihnen zu beginnen.
     Er beorderte die Familie in den Salon und richtete, am wohlig prasselnden Kaminfeuer stehend, das Wort an sie.
    »Es haben sich neue Entwicklungen ergeben, deshalb möchte ich Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.«
    Die Familie des Barons starrte den Polizisten neugierig an, Emil eingeschlossen, der den Kopf unters kalte Wasser gesteckt
     und sich einigermaßen mit schwarzem Kaffee wieder in Form gebracht hatte. Gützlow wandte sich zuerst an ihn.
    »Da der starke Haarausfall des Barons Ihre Besorgnis erweckte, habe ich heute einen Polizeiarzt mitgebracht. Seine Diagnose
     lautet, dass der Herr Baron an einer Thalliumvergiftung leidet.«
    »Ich dachte, Äther heißt das Zeug, das er einatmet«, bemerkte Eugenie, sichtlich unbeeindruckt von der Tatsache, dass die
     Gesundheit ihres Vaters eine polizeiliche Intervention notwendig machte. »Hat er jetzt noch etwas Stärkeres entdeckt?«
    Gützlow ging der Gedanke durch den Kopf, dass sie vielleicht gar nicht so unrecht hatte. Süchtige neigten dazu, alles auszuprobieren,
     was ihnen zwischen die Finger geriet. Ein weiterer Grund, warum er hier auf Samtpfoten herumschleichen musste. »Möglicherweise
     ja,

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