Die Frau des Diplomaten (German Edition)
was er mir gerade erzählt. „Aber jetzt weiß ich noch immer nicht, wieso du ausgerechnet hier bist.“
„Die Amerikaner und Briten arbeiten eng zusammen, um den Sowjets eine geschlossene Front entgegenzusetzen. Im Allgemeinen funktioniert diese Allianz recht gut, trotzdem gehen wir immer mit einer gewissen Vorsicht miteinander um, und in jüngster Zeit gab es Anzeichen, dass kommunistische Loyalisten den britischen Geheimdienst unterwandert haben.“ Er holt eine flache Flasche aus der Manteltasche und hält sie mir hin. Ich lehne dankend ab und schüttele mich innerlich, während er einen Schluck trinkt. Wieso nur greift er wieder zum Alkohol? Allerdings kenne ich ihn längst nicht mehr gut genug, um ihn darauf anzusprechen. „Als wir von deiner Reise nach Prag erfuhren, wurden wir neugierig“, redet er weiter und steckt die Flasche weg. „Jemand sollte dich verfolgen, um herauszufinden, was du vorhast.“
„Und da haben sie ausgerechnet dich ausgesucht?“
Er schaut weg. „Als mir klar wurde, dass du diejenige bist, meldete ich mich freiwillig.“
„Aha.“ Ich spüre einen Kloß im Hals. „Dann bist du mir die ganze Zeit über gefolgt?“
„Nicht die ganze Zeit. Unsere Leute waren etwas lahm, darum war ich über einen Tag zu spät dran. Als ich in Prag eintraf, warst du gerade im Begriff, die Stadt zu verlassen. Also bin ich dir zum Bahnhof gefolgt und in den gleichen Zug gestiegen.“ Dann hatte sie ihn also doch in der Bahnhofshalle gesehen. „Was mich zu der Frage bringt, was du hier machst.“
Ich zögere. Nach den Ereignissen der letzten Tage bin ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt noch irgendjemandem vertrauen kann. „Soll das heißen, dass du das bislang noch nicht herausgefunden hast?“, erwidere ich, um Zeit zu gewinnen.
„Ich weiß, dass es etwas mit Jan Marcelitis zu tun hat“, entgegnet er kopfschüttelnd. „Und es ist so wichtig, dass jemand versucht hat, dich zu töten. Mehr weiß ich nicht.“
Ich komme zu dem Schluss, dass ich ihm vertrauen kann, und sehe ihm in die Augen. „Du hast recht. Der britische Geheimdienst geht davon aus, dass einige Leute aus unseren Reihen ein doppeltes Spiel spielen. Wir sind in den Besitz einer verschlüsselten Liste gelangt, die die Namen der Verräter enthalten soll. Bislang ist es noch nicht gelungen, den Code zu knacken.“
„Also willst du Marcelitis überreden, dir den Dechiffrierer zu geben.“
„Du weißt von dem Dechiffrierer?“, frage ich verblüfft.
„Natürlich. Dass Dichenko ihn gestohlen hat, ist kein Geheimnis, und die Jagd auf den Dechiffrierer hat sich inzwischen zur Suche nach dem heiligen Gral entwickelt. Niemandem ist es bislang gelungen, Marcelitis aufzuspüren.“
„Darum wurde ich hergeschickt“, gebe ich zurück. „Es gibt jemanden, der Kontakt zu Marcelitis hat, ein Mann namens Marek Andek, den ich noch aus meiner Zeit aus Kraków kenne. Seine Frau Emma war meine beste Freundin.“
Paul stößt einen leisen Pfiff aus. „Ist das die Emma, von der du mir in Paris erzählt hast? Die den deutschen Kommandanten ausspioniert hat?“
Ich nicke und muss mich räuspern. „Um es kurz zu machen: Unsere Regierung dachte, ich könne Marek davon überzeugen, mich mit Marcelitis zusammenbringen, um ihm wichtige Informationen im Austausch für den Dechiffrierer anzubieten.“
„Klingt überzeugend, allerdings halte ich es für verrückt, dich allein herzuschicken. Erst recht im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen, die hätten wissen müssen, dass so etwas passieren kann. Und was ist mit Marek? Wie hat er reagiert?“
„Er verabredete für mich ein Treffen mit Marcelitis, wurde aber kurz zuvor verhaftet. Am Treffpunkt tauchte ein Mann auf, der behauptete, Marcelitis zu sein.“
„Und wer war es in Wahrheit?“
„Der Mann, den wir eben getötet haben.“
„Der Kahlköpfige? Tatsächlich?“ Ich nicke. „Marta, das war Boris Sergiev, ein bekannter Auftragskiller der Sowjets.“
„Ein Auftragskiller?“, wiederhole ich ungläubig.
„Ja.“ Eine Gänsehaut läuft mir über den Rücken, als ich daran denke, wie dieser Mann auf der Brücke mit dem Messer nach mir ausholte. Mir wird ganz schwindlig, unterdessen redet Paul weiter. „Marek muss der Polizei die Einzelheiten des Treffens verraten haben. Sergiev wollte dabei sein, um Marcelitis zu töten und den Dechiffrierer an sich zu nehmen.“
„Aber Emma konnte Marcelitis rechtzeitig warnen“, ergänze ich.
„Richtig. Und als Sergiev klar wurde,
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