Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Titel: Die Frau des Diplomaten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
Vom Netzwerk:
bemerke ich zwei junge Frauen. Jede hat einen Kinderwagen vor sich stehen. Sie unterhalten sich in einer slawischen Sprache, die ich zwar nicht genau zuordnen kann, von der ich aber genug verstehe, um herauszuhören, dass sie von einem Mann erzählen. Die Art, wie sie beide monoton ihre Kinderwagen schaukeln, ohne sich für die Babys zu interessieren, lässt vermuten, dass sie nicht die Mütter sind.
    Ein leichter Wind weht durch den Park. Als ich die dunklen Wolken sehe, die sich vor die Sonne geschoben haben, verschränke ich die Arme vor der Brust und wünschte, ich hätte einen Mantel bei mir. Bald wird es dunkel werden, und ich sollte mir Gedanken darüber machen, wo ich die Nacht verbringen werde und wo ich etwas zu Essen herbekomme. Ich hole das letzte Brot aus meiner Tasche und rieche daran. Die Wurst verströmt einen leicht säuerlichen Geruch, scheint aber noch essbar. Ich beiße von dem Brot ab und halte mir vor Augen, dass ich es mir im Moment nicht leisten kann, irgendein Lebensmittel zu verschmähen. Während ich kaue, denke ich sehnsüchtig an die Mahlzeiten, die während meiner Zeit im Auffanglager vom Roten Kreuz ausgegeben wurden. Das Rote Kreuz! Vielleicht wird auch hier Flüchtlingen geholfen. Ich zögere, sehe die beiden jungen Frauen an und gehe schließlich auf sie zu. „Przepraszam“, sage ich auf Polnisch. Hoffentlich ist das nahe genug an ihrer eigenen Sprache. Sie verstummen und sehen mich misstrauisch an. Ich lege eine Hand auf meine Brust. „Flüchtling.“ Dann zeige ich auf sie. „Sie auch?“
    Die Frauen wollen aufbrechen, ihre Gesichter verraten, dass sie Angst bekommen haben. „Non“ , antwortet die Jüngere von beiden. Sie hat ihre Haare in einem unnatürlichen Rotton gefärbt.
    Sie lügt. Vermutlich sind auch ihre Papiere nicht in Ordnung. „Können Sie mir sagen, wo ich das Rote Kreuz finde?“
    Beide denken über meine Frage nach und überlegen, ob sie mir helfen sollen oder nicht. „Amerikaner“, meint die Ältere leise und zeigt in Richtung der Botschaft.
    Ich schüttele den Kopf. Offenbar verwechselt sie die britische mit der amerikanischen Botschaft. „Ich war bereits dort, aber sie wollten mir nicht …“
    „Amerikaner“, wiederholt die Frau. Ich schaue in die angezeigte Richtung. Auf einem Gebäude gleich hinter der britischen Botschaft weht die amerikanische Flagge. Offenbar meint die Frau, dass die Amerikaner mir den Weg zum Roten Kreuz erklären können. Aber es ist bereits nach fünf, und bestimmt hat auch diese Botschaft geschlossen. Ich will die beiden noch einmal ansprechen, doch sie sind bereits wieder in ihre Unterhaltung vertieft und ignorieren mich.
    Als ich zu meinem Platz auf der Bank zurückkehren will, ist der bereits von einer Dame mit Pudel besetzt worden. Nicht mal dieser Sitzplatz ist mir vergönnt. Plötzlich steigen mir Tränen in die Augen, und diesmal lasse ich ihnen freien Lauf, weil es mir egal ist, ob jemand sieht, wie ich hemmungslos weine. Wie aufs Stichwort beginnt es nun auch noch zu regnen. Dicke, schwere Tropfen klatschen auf den Weg, auf dem ich stehe. Als ich fühle, wie der Regen meine Kleidung durchnässt, muss ich an das Unwetter denken, das Paul und mich im Ruderboot überraschte. Ist das tatsächlich erst zwei Nächte her? Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor. Aber hier gibt es keine romantische Laube, sagt eine Stimme in meinem Kopf. Und auch keinen Paul, der mich in Sicherheit bringt. Die Stimme, die ich längst vergessen habe, ertönt laut und kräftig. Sie hat mich seinerzeit das Gefängnis überleben lassen.
    Ich muss einen Unterschlupf finden. Ich nehme die Brille ab und wische die Tropfen von den Gläsern, setze sie wieder auf und sehe mich im Park um. Am anderen Ende, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, entdecke ich eine große Kirche. Ich laufe näher und betrachte die zahlreichen kleinen Türme, die in den Himmel ragen. Ich fühle mich an die Marienkirche von Kraków erinnert. Als ich sie zum ersten Mal sah, während ich mit Jakub den Marktplatz überquerte, da fehlten mir vor Ehrfurcht die Worte. Noch verwunderter war ich, als ich von Jakub erfuhr, dass wir uns in dieser Kirche mit unserem Informanten treffen würden. Mir als Jüdin war es verboten, ein christliches Gotteshaus zu betreten. Sogar die winzige Kirche in unserem Dorf war mir als etwas Unheilvolles erschienen. Für den Widerstand stellte die Marienkirche allerdings einen sicheren Zufluchtsort dar, einen Ort, an dem man unter dem Vorwand des

Weitere Kostenlose Bücher