Die Frau des Diplomaten (German Edition)
einmal ins Bewusstsein der Welt dort draußen geschafft! „Der Widerstand hat Aktionen gegen die Nazis organisiert. Einmal haben wir eine Bombe in einem Café voller SS-Offiziere hochgehen lassen.“
„Wir?“, wiederholt Paul und stößt einen leisen Pfiff aus, als ich bestätigend nicke. „Ich hatte keine Ahnung, dass du zum Untergrund gehört hast. Das erklärt, warum du so furchtlos bist.“ Furchtlos, hat er gesagt. Es tut gut, das zu hören. „Deshalb haben die Deutschen dich in Einzelhaft genommen, richtig?“
„Ja, sie wollten, dass ich ihnen Informationen über die Bewegung gebe. Aber ich habe kein Wort gesagt.“
„Wurdest du beim Anschlag auf das Café angeschossen?“
„Nein. In der Bewegung gab es ein anderes Mädchen, Emma. Sie war meine beste Freundin.“ Und die Ehefrau des Mannes, den ich geliebt habe, ergänze ich im Geiste, aber das verschweige ich lieber. „Emma war auch Jüdin, aber sie lebte unter einem anderen Namen und gab sich als Christin aus.“ Ich rede langsam, da ich immer wieder nach den englischen Begriffen suchen muss. „Sie arbeitete für die Nazis, für einen sehr wichtigen Mann. Dadurch war sie in der Lage, geheime Informationen zu beschaffen. Sie begann mit dem Mann eine Affäre. Natürlich nur, um an noch mehr Informationen zu kommen“, füge ich rasch hinzu, damit Paul kein falsches Bild von Emma bekommt, obwohl ich mich selbst manchmal frage, was der wahre Grund für ihr Verhältnis gewesen ist. „Dann wurde sie schwanger.“ Paul sieht mich mit großen Augen an. „Kommandant Richwalder wollte sie aus Kraków fortbringen, um sie später zu heiraten, also mussten wir sie vorher aus der Stadt schaffen. Ich hatte den Auftrag, ihr bei der Flucht zu helfen, damit sie sich mit ihrem Ehemann treffen konnte.“
„Sie war verheiratet?“
„Mit einem Mann aus der Widerstandsbewegung. Er wurde bei dem Bombenanschlag verletzt und außerhalb der Stadt versteckt.“ Plötzlich bin ich zurück in Kraków und warte im Gebüsch vor dem Haus auf Emma. Ich sollte sie im Morgengrauen abholen, aber ich wusste, dass sie niemals die Stadt verlassen würde, ohne sich von ihrem Vater verabschiedet zu haben. Dann ging die Haustür auf und Emma trat hinaus. Als ich ihr in der Dunkelheit durch die stillen Straßen in Richtung Ghetto folgte, kam Wut in mir auf. So viel wurde aufs Spiel gesetzt, um ihr zur Flucht zu verhelfen, und sie war so egoistisch, uns alle in noch größere Gefahr zu bringen.
„Marta, geht es dir gut?“ Paul beobachtet mich aufmerksam.
Ich zwinkere ein paarmal, um ins Hier und Jetzt zurückzukehren. „Ja, es geht mir gut. Entschuldige bitte. Bevor wir fliehen konnten, fand uns der Kommandant und entdeckte, dass Emma gar keine Christin ist.“ Ich berichte Paul, wie ich mich im Schatten verborgen hielt und mit ansah, wie Richwalder Emma zur Rede stellte. „Ich hatte gehofft, sie würde sich irgendwie rausreden können. Er schien sie tatsächlich zu lieben, daher dachte ich, er könnte Verständnis zeigen. Doch als er seine Waffe zog, da musste ich doch etwas unternehmen. Ich … ich hab ihn erschossen.“
„Oh, Marta.“ Paul streichelt mir über die Wange.
„Ich brachte ihn um, doch bevor er starb, gelang ihm noch das hier.“ Ich deute auf meine Narbe. „Dann nahm mich die Gestapo fest, und den Rest kennst du.“
„Und Emma?“
„Sie entkam. Als ich merkte, dass ich angeschossen war, drängte ich sie, ohne mich fortzulaufen.“
„Sie ließ dich ganz allein zurück?“
Ich nicke. „Ich zwang sie ja dazu. Sie wollte nicht gehen, aber ihr blieb keine andere Wahl. Ich sagte ihr, wo sich Jakub, ihr Ehemann, aufhält. Die beiden sollten gemeinsam die Grenze überqueren. Ob sie es geschafft haben, weiß ich nicht. Jedenfalls bin ich so in der Zelle gelandet, in der du mich gefunden hast.“
Staunend sieht er mich an. „Ich hatte keine Ahnung …“
Ich habe einen Kloß im Hals, und erst als ich ein paarmal schlucke, kann ich weitersprechen: „Wenn du mich nicht willst, weil das deine Meinung über mich geändert hat, dann kann ich das verstehen“, bringe ich heraus.
„Wie bitte? Oh Gott, Marta, auf was für Ideen du kommst.“
„Na ja, es ist schließlich keine Kleinigkeit. Immerhin habe ich einen Menschen getötet.“
„Du hast einen Verbrecher erschossen“, korrigiert er mich. „Um deine beste Freundin zu retten.“
„Manchmal kommt mir das aber nicht so vor“, sage ich und breche in Tränen aus.
Er zieht mich an sich, und ich presse
Weitere Kostenlose Bücher