Die Frau des Diplomaten (German Edition)
hätte er sich an mir die Finger verbrannt. Die Sorge in seinem Blick weicht der kalten Wut. „Mir auch“, erwidert er nur. Ehe ich noch etwas sagen kann, macht er kehrt und verlässt das Büro.
Nur einen Moment später kommt der stellvertretende Minister herein. „Ich sah Ihren Mann gehen …“
„Er ist über meine Entscheidung nicht glücklich.“
„Heißt das, Sie sind einverstanden?“ Nach kurzem Zögern nicke ich, und der stellvertretende Minister nähert sich mir. „Das ist eine wunderbare Neuigkeit.“
„Unter einer Bedingung. Ich habe eine kleine Tochter, und ich kann es mir nicht leisten, länger als eine Woche von ihr getrennt zu sein.“
„Das wird kein Problem sein. Sie müssen nur mit Andek sprechen, den Kontakt zu Marcelitis herstellen und sich von ihm den Dechiffrierer aushändigen lassen. Das Ganze sollte nicht länger als ein bis zwei Tage in Anspruch nehmen.“
„Und wenn er ihn mir nicht aushändigen will?“
„Das wird er. Das muss er. Während Sie sich mit Simon unterhielten, habe ich veranlasst, dass ein Paket zusammengestellt wird, das Sie mitnehmen werden. Darin befinden sich Informationen über einige unserer wichtigsten Kontakte. Diese Informationen können für Marcelitis Arbeit äußerst nützlich sein. Wir werden ihm außerdem einen ansehnlichen Betrag anbieten, der auf ein Schweizer Nummernkonto eingezahlt wird. Sobald Sie den Dechiffrierer haben, werden wir jemanden abstellen, der Sie rausholt.“
„Der mich rausholt ?“ Das klingt so, als wäre es mit Schwierigkeiten verbunden, das Land zu verlassen.
„Ist nur so eine Redewendung“, erwidert er schnell. Dabei huscht ein eigenartiger Ausdruck über sein Gesicht, der aber so rasch wieder verschwunden ist, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich ihn mir vielleicht nur eingebildet habe. „Dann sind wir uns also einig?“
Ich muss schlucken und bezwinge mein Unbehagen. „Ja.“
„Hervorragend. Sie sollten sich den Rest des Tages freinehmen und nach Hause gehen, um die Reisevorbereitungen zu treffen. Ich erledige alles andere, sobald ich zurück bin. Die weiteren Details wird Ihnen Simon am Abend mitteilen.“ Simon. Ich muss an seine wütende Miene denken, kurz bevor er das Büro verließ. „Morgen früh um sechs wird Sie ein Wagen von zu Hause abholen.“
Morgen früh schon. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde. Aber je eher ich aufbreche, desto eher bin ich zurück. „Ich werde bereit sein.“
„Ich danke Ihnen, Marta“, sagt er ernst. „Wir haben Ihnen mehr zu verdanken, als Sie sich vorstellen können.“ Dann sehe ich ihm nach, wie er aus dem Büro geht, und frage mich, ob ich womöglich gerade den Fehler meines Lebens begangen habe.
15. KAPITEL
Auf Zehenspitzen schleiche ich die Treppe hinunter und durch den dunklen Salon. Das einzige Geräusch im Haus ist das Ticken der Uhr auf dem Kaminsims. Zehn vor sechs. Noch zehn Minuten, dann werde ich mich auf den Weg machen. Vom Fenster aus sehe ich auf die Straße, die im Dunkel der Nacht liegt. In der Luft hängt der Geruch des Bratens vom Vorabend.
Ich drehe mich um und schaue zur Treppe, während ich gegen den Wunsch ankämpfe, noch einmal nach Rachel zu sehen. Früher an diesem Morgen stand ich in ihrem Zimmer und lauschte, wie sie ruhig und gleichmäßig atmete und zwischendurch im Schlaf etwas Unverständliches murmelte. Ich ging zu ihrem Bettchen und sah hinein, während meine Schuldgefühle fast übermächtig wurden. Wie kann ich sie nur allein lassen?, fragte ich mich, sagte mir aber sogleich, dass ich in ein paar Tagen zurück sein würde. Sie wird gar nicht merken, dass ich überhaupt weg war. Und eines Tages, wenn sie alt genug ist, kann ich ihr erzählen, warum ich mich auf diese Reise eingelassen habe. Ich gab Rachel einen letzten Kuss, dabei atmete ich tief ein, um ihren Geruch in mich aufzunehmen.
Ich darf jetzt nicht an Rachel denken, ermahne ich mich und gehe zu meinem kleinen Koffer, der neben der Tür steht. Da ich nicht wusste, was ich mitnehmen soll, habe ich genug eingepackt, um meine Kleidung zweimal wechseln zu können, außerdem ein paar Toilettenartikel. Ich greife nach meiner Handtasche, die auf dem Koffer steht, und überprüfe, ob alle Papiere da sind. Simon gab sie mir am Abend, als er heimkam. „Vom Minister“, sagte er und drückte mir in der Küche den Umschlag in die Hand.
Ich nahm ihn entgegen und war unschlüssig, ob ich ihn jetzt oder später öffnen sollte. „Simon, bitte. Ich weiß,
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