Die Frau des Germanen
konnte. Dazu waren sämtliche Stammesfürsten geladen worden, daher waren die Krieger
aller Stämme ohne ihre Führer. Varus glaubte, er habe es schlau eingefädelt und so auch die Skeptiker auf römischer Seite
beruhigt, die ihn vor Arminius gewarnt hatten. Wenn alle Stammesfürsten bei ihm zu Gast waren, konnten sie keinen Angriff
gegen ihn vorbereiten, so einfach war das. Wie konnte er auch ahnen, dass Arminius einen Freund hatte, der die gleichen Fähigkeiten
besaß wie der junge germanische Fürst? Der genauso gut wusste, wie es um die römische Kriegskunst bestellt war? Der genauso
wie Arminius in der Lage war, eine germanische Heerschar in den Krieg zu führen?
Inaja kam zum Feuer zurück, obwohl Hermut aufgebrochen war und es eigentlich keinen Grund mehr gab, sich zur Familie des Fürsten
zu gesellen. Doch weder Arminius noch Thordis erhoben dagegen Einspruch. Auch Thusnelda sagte nichts dazu, obwohl sie sich
insgeheim schämte für die anmaßende Haltung ihrer Dienstmagd.
|260| »Was ist, wenn Wiete recht hat?«, flüsterte Thusnelda. »Wenn es wirklich einen Verräter in deinen Reihen gibt?«
Arminius schüttelte den Kopf. »Die Götter sind mir wohlgesinnt, das ist bewiesen. Also muss ich mich nicht sorgen.«
Thusnelda wusste, was er meinte. Ja, Arminius hatte den Schutz der Götter bereits einmal genossen. Der Schreck war ihr in
die Glieder gefahren, als er ihr nach seiner Rückkehr von Varus’ Fest erzählt hatte, wie er von ihrem Vater attackiert worden
war. Er konnte nicht verhehlen, dass seine Hand unwillkürlich zu seinem Schwert gefahren war, als Segestes während des Festmahls
aufgestanden war und schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben hatte.
»Es war von Anfang an zu spüren gewesen«, hatte Arminius erzählt, »dass er etwas plante. Ich war auf der Hut, aber ich konnte
mir nicht vorstellen, was er im Schilde führte. Auf das, was dann kam, war ich nicht gefasst.«
Ohne erkennbare Erregung hatte er berichtet. Thusnelda war jedoch sicher, dass er ihr einiges verschwieg, was sie geängstigt
hätte. Wie Segestes herausbekommen hatte, was Arminius plante, würde wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Vielleicht war
es auch gar keine Gewissheit gewesen, die ihn angetrieben hatte, sondern nur eine Ahnung oder ein drängender Verdacht. Womöglich
hätte er Beweise schuldig bleiben müssen, wenn sie von ihm gefordert worden wären.
»Er sorgte dafür, dass es ruhig im Zelt wurde«, hatte Arminius erzählt. »Die Tänzerinnen hatten ihre Darbietung gerade beendet,
und Segestes gab den Musikern ein Zeichen, das sie warten sollten. Dann stand er auf, wies mit dem Finger auf mich und erklärte
Varus rundheraus, dass er einen Feind an seiner Tafel sitzen habe. Er solle sich vor mir in Acht nehmen, ich plane einen Überfall
auf die römischen Legionen.«
Die Stille, die eintrat, wäre eisig gewesen, hatte Arminius weiter berichtet. Jeder der Gaufürsten hatte die Hand an der Waffe
gehabt, forschende Blicke waren durch den Raum geflogen, jeder hatte im Nächsten den Verräter gesucht. Dann hatten sich |261| alle Blicke auf Arminius gerichtet. Wie würde er reagieren? Und was würde geschehen, wenn Varus nicht mehr ihm, sondern Segestes
glaubte?
Doch ehe Arminius etwas entgegnen konnte, hatte Varus schon zu lachen begonnen. »Warum beendet Ihr nicht endlich Eure Familienstreitigkeiten?«,
hatte er gerufen und so heftig gelacht, dass ihm die Tränen in die Augen getreten waren. Deswegen hatte er auch nicht sehen
können, wie sich die germanischen Stammesführer erleichtert angeblickt hatten. »Arminius ist Euer Schwiegersohn, Segestes!
Ob Euch das nun passt oder nicht! Es wird Zeit, dass Ihr Euch mit ihm versöhnt!«
Dieses Ansinnen hatte Fürst Segestes jedoch strikt von sich gewiesen. Wer ihm die Tochter geraubt hatte, dem würde er niemals
die Hand reichen.
Darauf hatte Varus gleichgültig mit den Schultern gezuckt. »Wenn Ihr keine Versöhnung wollt, so solltet Ihr wenigstens aufhören,
Arminius zu bekämpfen.« Strafend hatte er Segestes angesehen. »Es ist nicht richtig, dass Ihr den Gemahl Eurer Tochter verunglimpft.
Nur um Rache an ihm zu nehmen!«
Arminius starrte nachdenklich ins Feuer, während er beschrieb, wie hasserfüllt Segestes’ Blick gewesen war, als er begreifen
musste, dass nicht Arminius, sondern er selbst bei Varus in Ungnade gefallen war.
Dann kam der Abschied. Stille legte sich über die Teutoburg. Es war, als hielte
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