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Die Frau des Germanen

Die Frau des Germanen

Titel: Die Frau des Germanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gnädig gestimmt? Ging Thusneldas sehnlichster
     Wunsch nun in Erfüllung?
    Nicht nur Segestes, auch seine Männer waren von ihren Pferden gestiegen. Inaja stellte fest, dass der Fürst gealtert war.
     Sein Haar, das früher noch einzelne dunkle Strähnen aufwies, war nun schlohweiß, seine Gesichtszüge waren müde geworden.
    Der Fürst betrachtete seine Tochter eingehend. »Wie ich höre, wirst du mir ein Enkelkind schenken?«
    Thusnelda strahlte. »Ich habe mir dieses Kind vor allem deshalb gewünscht, weil ich hoffte, dass es Euer Herz erweicht, Vater!«
    Fürst Segestes ließ seinen Blick über die Teutoburg wandern, als hätte er sie nie zuvor gesehen. »Du bist also glücklich hier?«
    Thusnelda nickte und blickte zurück zu Inaja und zu den Wachen, die sich in respektvollem Abstand hielten. »Ja, ich bin glücklich
     hier.«
    |311| »Obwohl dein Gemahl dich allein lässt?«
    Es gefiel Inaja nicht, dass der Fürst seine Tochter beim Arm nahm und sich ein paar Schritte mit ihr entfernte, so, als hätte
     er ein vertrauliches Gespräch mit ihr zu führen. Oder war er nur rücksichtsvoll? Wollte er klarstellen, dass er nicht die
     Absicht hatte, die Teutoburg in Abwesenheit des Burgherrn zu betreten?
    »Er musste mich allein lassen.« Thusnelda lachte. »Ihr wisst doch, Vater, dass der römische Kaiser Germanicus ausgesandt hat,
     um die Schlacht gegen Varus zu rächen. Arminius verteidigt unser Land, unsere Freiheit.«
    Segestes gab seinen Männern einen Wink, ehe er antwortete. »Hat er sich überlegt, was geschieht, wenn er diesmal nicht siegt?
     Wenn wir alle die Konsequenzen dafür tragen müssen, dass Arminius sich dem römischen Kaiser widersetzt?« Er winkte ab, als
     käme es auf Thusneldas Antwort nicht an. »Was frage ich dich? Wie sollst du, ein schwaches Weib, einschätzen, was Arminius
     dir und deinem ungeborenen Kind antut?«
    In diesem Augenblick ahnte Inaja, was passieren würde. Sie schob eine der Wachen zur Seite und sprang vor das Tor. Doch obwohl
     sie mit ihren schwachen Kräften sowieso nichts hätte verhindern können, wäre es dafür auch bereits zu spät gewesen. Zwei Männer
     ergriffen Thusnelda und hoben sie auf ein Pferd. Ehe sie durchschauen konnte, was geschah, ehe sie sich widersetzen, ehe sie
     auch nur schreien konnte, schwang sich einer der beiden hinter sie, umklammerte sie mit festem Griff und trieb das Pferd an.
     Alle anderen folgten ihm. Fürst Segestes war der Letzte, der aufsaß. Inaja sah, dass er lächelte, als er einen Blick zurückwarf.
     Dann preschte er hinter seinen Leuten her.
    Starr vor Angst und Schrecken stand Inaja da und beobachtete, wie Thusneldas wollenes Tuch sich löste, eine Weile, vom Wind
     getragen, über ihrem Kopf zu schweben schien und dann in sich zusammenfiel und zu Boden flatterte.
    Das war der Augenblick, in dem sie zu schreien begann. Und nun endlich kam Leben in die Wachen der Teutoburg. Hilflos rannten
     einige vors Tor, machten Anstalten, dem Entführer zu |312| Fuß zu folgen, sahen dann ein, wie unsinnig dieses Unterfangen war, schrien nach den Pferden, liefen zurück, um sie aus dem
     Stall zu holen, und trieben sie aus der Burg. Aber nur noch mit halbem Herzen, weil sie längst einsahen, dass Fürst Segestes
     und seine Männer nicht mehr einzuholen waren.
    Inaja saß verzweifelt auf der Burgmauer, als sie beobachtete, wie sie zurückkehrten. Mit hängenden Köpfen, im Schritt, so
     dass es aussah, als ließen auch die Pferde die Köpfe hängen.
     
    Flavus wirkte nervös und fahrig, als er Severina begrüßte. Er war blass, seine Haare sahen aus, als hätte er sie sich gerauft.
     Seine Augen waren noch kleiner, noch stechender als sonst.
    »Bringt Ihr schlechte Nachrichten?«, fragte Severina misstrauisch und wies Gaviana an, für den Gast Früchte, Käse, Pasteten
     und verdünnten Wein aus der Küche zu holen.
    Flavus nahm Platz, atmete tief durch, zwang sich zur Ruhe, lobte Severinas Schönheit, dankte ihr, dass sie bereit gewesen
     war, ihn zu empfangen – dann aber hielt er sich nicht mehr mit Höflichkeiten auf. »Arminius hat schon wieder einen Angriff
     zurückgeschlagen.«
    Severina hatte sich von Gaviana vor wenigen Augenblicken Kissen in den Rücken stopfen lassen, damit sie bequem lag, nun richtete
     sie sich erschrocken auf. »Was ist passiert?«
    »Arminius hat Wind davon bekommen, dass Germanicus den Rhein überquert. Er hat in Windeseile die Truppen aller germanischen
     Stämme zusammengetrommelt und ist gegen

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