Die Frau des Germanen
Einlegearbeiten und stand
auf vier elfenbeinernen Säulen. Eine Seite des Tisches wurde immer frei gehalten für die bedienenden Sklaven, an den anderen
drei Seiten standen Sofas, mit feinstem Samt bespannt. Zahllose farbige Seidenkissen lagen darüber, damit die Speisenden es
bequem hatten.
Severina setzte sich auf eins der Sofas und klatschte in die Hände. Kurz vorher hatte sie sich noch verbeten, von irgendjemandem
gestört zu werden, und verlangt, dass sich niemand in ihrer Nähe aufhielt, nun erwartete sie, dass auf der Stelle eine Sklavin
bereitstand, um ihr zu dienen.
Zum Glück hatte Gaviana, hinter einem Vorhang verborgen, jeden Schritt ihrer Herrin genau beobachtet, um sofort zur Stelle
zu sein, wenn Severina es sich anders überlegen sollte. Und sie hatte gut daran getan! Severinas Laune war heute besonders
schlecht, sie würde alles streng bestrafen, was sie ärgerte, auch das, was sie selber angeordnet hatte. Gaviana war von morgens
bis abends auf der Hut. Wie gut, dass sie den Wunsch ihrer Herrin, allein zu sein, nicht ernstgenommen hatte und unauffällig
in ihrer Nähe geblieben war.
Severina, die noch vor einer halben Stunde sämtliche Sklaven aus ihrer Nähe entfernt hatte, weil selbst deren leises Huschen
ihr auf die Nerven ging, wunderte sich nicht, dass Gaviana sofort neben ihr erschien, als sie erkennen ließ, dass sie von
ihrer vorherigen Anordnung nichts mehr wissen wollte. »Der Appetit auf gefüllte Taube ist mir vergangen. Bring mir ein paar
Pfaueneier und gegrillte Kürbisse!«
Gaviana brach der Schweiß aus. Was, wenn es in der Küche keine Pfaueneier gab? Kürbisse waren da, das wusste sie. Aber Pfaueneier?
Doch sie ließ sich nichts anmerken und verneigte sich tief. »Ich werde sofort danach rufen!« Schnell richtete sie die Kissen,
als Severina Anstalten machte, sich auf dem Speisesofa auszustrecken. »Habt ihr es bequem, Herrin?«
Severina antwortete nicht, aber sie hatte auch nichts zu beanstanden. |103| Das war mehr, als Gaviana gehofft hatte. Eilig gab sie einer Sklavin einen Wink, damit die versuchte, in der Küche Pfaueneier
aufzutreiben und das Grillen der Kürbisse zu beschleunigen. Gaviana selbst wollte auf Nummer sicher gehen und in Severinas
Nähe bleiben, um jeden ihrer Wünsche zu erahnen, noch bevor er ausgesprochen wurde. Besorgt betrachtete sie Severinas Gesicht.
Ihre Herrin hielt die Augen geschlossen, sie war sehr blass. Hoffentlich verlangte sie nicht nach einem Spiegel! Ein Wutausbruch
war das Mindeste, was zu erwarten war, wenn Severina feststellte, dass ihre Wangen bleich und ihre Lippen farblos waren.
Gaviana war froh, als sie Agrippinas Schritte hörte. Germanicus’ Gattin war von freundlicher Natur. Sie verlangte ihren Sklaven
nichts ab, was sie nicht leisten konnten, und hatte schon oft dafür gesorgt, dass eine Strafe, die Severina angeordnet hatte,
milder ausfiel.
Severina dagegen schien vom Erscheinen ihrer Schwägerin nicht angetan zu sein. Sie schloss die Augen, als Agrippina eintrat,
und reagierte auf ihren Gruß nur mit einem schwachen Nicken.
Aber Agrippina ließ sich auch diesmal von Severinas Zurückweisung nicht beirren. Während sie sich von einer Sklavin die Hände
waschen ließ, fragte sie: »Du hast dir etwas zu essen bestellt?«
Severina nickte. »Eine gefüllte Taube.«
Gaviana sah ihre Herrin erschrocken an. Nun doch die gefüllte Taube? Aber erleichtert atmete sie auf, als Severina ergänzte:
»Oder ein paar Pfaueneier. Mal sehen, was mir besser schmeckt.«
Gaviana warf der jungen Sklavin einen warnenden Blick zu, die sofort verstand und in die Küche lief, damit sowohl die gefüllte
Taube, die eigentlich abbestellt worden war, als auch die Pfaueneier serviert wurden und die schöne Severina die Möglichkeit
hatte zu wählen.
Agrippina legte sich auf das Speisesofa Severina gegenüber |104| und winkte nach einem Salzfässchen und dem Essigkrug. »Bringt mir ein wenig Schwarzbrot«, sagte sie. »Aber ich will es selber
mit Salz bestreuen und mit Essig beträufeln.« Freundlich wandte sie sich an Severina. »Ich vertrage kein schweres Essen mehr.
Und du?«
Prompt begannen Severinas Augen zu sprühen. »Ich? Warum vergleichst du dich mit mir?«
Agrippina lächelte milde. »Du hast recht, ein paar Pfaueneier liegen nicht schwer im Magen. Und wenn die Taube mit Gemüse
gefüllt wurde, ist sie bekömmlich.«
Dass Agrippina immer wieder auf ihren körperlichen Zustand zu
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