Die Frau des Polizisten
den Kopf und sah geradewegs in Torbjörns helle Augen. Er schaute Per grimmig an, drückte den Kautabak mit der Zunge an den Gaumen, nickte und lächelte gleich darauf breit. Per schloss die Augen und atmete erleichtert auf.
Als er vorsichtig den Kopf zur anderen Seite drehte, begegnete ihm Erikas glasiger Blick. Sie stützte sich auf einen Ellenbogen, wurde von einem der Rettungssanitäter im Krankenwagen scharf zurechtgewiesen, weigerte sich aber zu gehorchen und streckte ihm ihre Hand entgegen. In ihren verfilzten und blutverklebten Haaren hingen Schmutz und Zweige. Die Tränen hatten in ihrem Gesicht lange Streifen hinterlassen, und ihre Wimperntusche bildete Ränder unter ihren Augen.
Er nahm ihre Hand in seine. Per atmete schwer und bemüht. Er versuchte ein Lächeln, wusste aber nicht, ob es ihm geglückt war. Einer seiner Finger stand in einem seltsamen Winkel ab. Seine Schulter schmerzte höllisch, und als er vorsichtig darübertastete, war er es, der von dem Sanitäter scharf ermahnt wurde.
»Wir müssen aufhören, immer so handgreiflich zu werden«, murmelte Per und sah Erika aus einem zusammengekniffenen Auge an. Er verspürte ein Verlangen zu lachen. Als ihr Gesicht wieder klarere Konturen bekam, sah er, dass sie lächelte.
Kapitel 63
»Du wirst es nicht glauben!«
Aleks platzte ohne anzuklopfen in Pers Büro. Per zog die Augenbrauen hoch und warf seinem Kollegen einen fragenden Blick zu. Es kam selten, ja, beinahe nie vor, dass Aleks etwas so bewegte, dass er eine Form von Aufregung erkennen ließ. Per verzog das Gesicht, als er vorsichtig auf den Stuhl zurücksank, und guckte missgelaunt auf seine linke Hand hinunter. Sie war bandagiert, der Ringfinger geschient, und seine linke Schulter war an seinem Rumpf fixiert. Der Schuss, den Göran abgefeuert hatte, war geradewegs durch den Schultermuskel hindurchgegangen. Es war nur eine Fleischwunde, nichts weiter.
»Was soll ich denn eurer Meinung nach zu Hause tun?«, hatte Per gegrummelt, als er sich nicht krankschreiben lassen wollte. »Streichen kann ich nicht, schleifen kann ich nicht, Sport treiben nicht, …«
»Bumsen«, hatte Torbjörn mit einem boshaften Lächeln ergänzt.
Per deutete auf seinen Besucherstuhl. Aleks ließ sich drauffallen.
»DHL, Per – sie haben Barbros Handy gefunden. Es hat in einem Päckchen gesteckt, das mit DHL versandt worden ist. An eine Adresse in Manhattan. Aber es wurde nie abgeholt. Da führt uns jemand an der Nase herum!«
»Was?« Per sah seinen Kollegen einen Moment lang an, bevor ihm dämmerte, dass dies nicht wieder einer von Aleks’ üblichen Scherzen war. Per versuchte die Information zu verarbeiten. Sein Kopf weigerte sich.
»Das erklärt auch, warum sie auf keiner Passagierliste zu finden war.«
Aleks sah beinahe so aus, als würde er sich dafür schämen, dass er das Rätsel nicht schon viel früher gelöst hatte.
»Das Telefon ist offensichtlich als Päckchen im Rumpf eines Passagierflugzeugs gelandet«, fuhr er fort. »Es hat sich ins nächstbeste Netz eingeloggt, nachdem es auf Reisen gegangen ist, und eine Spur gelegt, der wir gefolgt sind. Damit wir glauben sollten, dass die Gute ihre Siebensachen genommen hat und in die Staaten abgedampft ist. Aber anscheinend ist sie nie dort gewesen, nur ihr Handy.«
»Jemand hat das eingeschaltete Mobiltelefon in die USA geschickt«, wiederholte Per und betonte jedes Wort. »Wann wurde das Päckchen denn aufgegeben, ließ sich das feststellen?«
»Am vierten Januar, mein Freund, am vierten Januar«, sagte Aleks mit besorgter Miene.
Kapitel 64
Erika parkte den Wagen vor dem Haus auf dem Trollåsen, zum wievielten Mal wusste sie nicht. Aleks hatte ihr angeboten, sie zu begleiten, aber sie hatte ihm angesehen, dass er weder Lust noch Zeit dazu hatte. Im Grunde war es ja auch kein richtiges Verhör, vielmehr eine Unterredung. Jan Olof wollte sich bei ihr bedanken, wie er gesagt hatte. Und der einzige Grund, den sie hatte, um hinauszufahren, war, ihm zu erzählen, dass die Ermittlungen nun endgültig eingestellt wurden. Und das wollte sie ihm persönlich sagen, nicht am Telefon.
Sie stand mit gemischten Gefühlen auf der Treppe, klopfte, verspürte aber Erleichterung, als Jan Olof öffnete und ihr eines seiner seltenen Lächeln schenkte. Er schien nüchtern zu sein, war aber noch immer blass und ausgezehrt. Und ungeheuer deprimiert. Sie setzten sich in das lichtdurchflutete Wohnzimmer. Ein Holzscheit knackte gemütlich im Kamin, und die weiße Katze
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