Die Frau des Polizisten
er ihre vage Verabredung schon bald vergessen haben würde, denn sie war, wenn sie ehrlich sein sollte, nicht sonderlich erpicht darauf, wertvolle Zeit mit jemandem zu vergeuden, den sie kaum kannte und darüber hinaus nicht sonderlich mochte. Es war vielleicht einmal an der Zeit, dass sie etwas mehr an sich dachte und nicht nur für andere da war? Und nicht sofort alles für andere stehen und liegen ließ, dachte sie grimmig.
Als sie hinaus in den Korridor trat, vernahm sie muntere Stimmen und Gelächter aus der Pantryküche. Der Duft von Kaffee, etwas Süßem und ein schwacher Hauch von Schweiß und feuchter Kleidung waberten in den Flur. Die fröhlichen Stimmen brachten sie zum Schmunzeln, und sie wollte gerade sehen, ob Per darunter war, als sie Torbjörns markante Gesichtszüge durch den Türspalt erkannte.
Sie erstarrte. Etwas an der Art, wie sie redeten, ließ sie die Ohren spitzen. Als sie genau hinsah, erkannte sie Torbjörns breite Schultern, sein schiefes Lächeln, mit dem er gerade einen dreckigen Witz gemacht hatte. Eine Stimme, eine Tonlage schälte sich heraus.
Ihr wurde plötzlich klar, dass ihre Sinne sie bereits registriert hatte, auch wenn ihr Bewusstsein es noch nicht akzeptieren wollte. Eine vertraute Stimme, die Anwesenheit vonjemandem, den sie nur zu gut kannte. Beklemmung überfiel sie, die Haut unter dem Gips brannte. Sie machte noch einen Schritt nach vorn und streckte sich, um besser sehen zu können, um begreifen zu können, dass das, was sie erwartet und gefürchtet hatte, tatsächlich eingetreten war – Göran.
Sie spähte hinein. Er saß wirklich da. In ihrem Pausenraum und redete dummes Zeug mit ihren Kollegen, scherzte und tratschte. Erika schluckte hart und starrte auf Görans attraktives Gesicht, das sorgfältig gebügelte Hemd, die schicken Jeans, seine lässig zurückgelehnte Pose auf dem Stuhl, träge und charmant lächelnd.
Erika schwankte, machte ein paar Schritte rückwärts, drehte sich um und tastete sich zurück in ihr Büro, riss die Jacke an sich und nahm eilends den Fahrstuhl in die Garage.
Kapitel 17
Erika wurde in das Wirtschaftsprüfungsbüro am Askims torg gebeten. Es war ein ziemlich kleines anonymes Büro mit zwei hintereinanderliegenden Arbeitszimmern, aber die Möbel aus dunklem Holz, hohe Bücherregale, die sich bis zur Decke erstreckten, und ein paar altmodische Palmen in Tonkrügen verliehen den Räumlichkeiten etwas Ansprechendes und Gemütliches.
»Guten Tag, Erika Ekman, Bezirkskriminalpolizei.«
»Willkommen! Ingemar Nordlund, Wirtschaftsprüfer.« Der Mann lächelte schelmisch.
Die Wärme, die von ihm ausging, ließ ihre Anspannung etwas abfallen. Jan Olofs Kollege und Partner war ein mittelgroßer, schlanker Mann mit dunklen Haaren und freundlichen Lachfältchen. Sie schätzte, dass er jenseits der fünfzig sein musste, auch wenn er einen bedeutend jüngeren Eindruck machte. Er schien vor Gesundheit nur so zu strotzen, wirkte offen und interessiert.
»Bitte, nehmen Sie doch Platz!«
Ingemar zog einen schweren Lehnstuhl für sie heran. Plötzlich verdunkelte sich seine Miene, und er wirkte mit einem Mal traurig.
»Ja, das ist eine schreckliche Geschichte, dieser Vorfall«, sagte er langsam.
»Barbro. Wann haben Sie …?«
Erika hantierte unbeholfen mit ihrem Notizblock.
»Mal sehen … Barbro habe ich wohl zuletzt irgendwann im Dezember gesehen.« Er nickte leicht. »Jan Olof und ich, nun, wir arbeiten ja schon viele Jahre zusammen, kenneneinander in- und auswendig, könnte man sagen.« Er lächelte wehmütig.
»Er war zwischen Weihnachten und Neujahr ziemlich oft im Büro. Seine Frau fährt um diese Zeit meistens für ein paar Tage zu ihren Eltern, das war also nicht weiter seltsam. Er nimmt dann die Gelegenheit wahr, ein bisschen Arbeit wegzuschaffen. Es liegt dann ja auch immer eine ziemlich hektische Zeit vor uns, mit Bilanzen und Jahresabschlüssen und so. Ja, was soll ich Ihnen sagen?«
Ingemar schüttelte resigniert den Kopf und ließ den Blick durch das vollgestopfte Büro wandern. Er seufzte schwer und fuhr dann entschiedener fort.
»Jan Olof kam am Sonntag hierher, ich war auch da. Wir haben ein paar Stunden gearbeitet, bis ich nach Hause gefahren bin. Jan Olof blieb noch. Er sagte, er wolle die Gelegenheit nutzen und ein bisschen abarbeiten, solange Barbro unterwegs sei. Er hatte für den Abend einen Tisch in ihrem Lieblingsrestaurant reserviert. In der Linnéstaden«, fügte Ingemar hinzu, als Erika nicht sofort
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