Die Frau des Polizisten
Haare nach vorne ins Gesicht gestrichen und es der Friseurin gezeigt.
»Sehen Sie? Das sieht doch beschissen aus! Es soll aus dem Gesicht, hab ich gesagt, dass man immer hinter dir her sein muss!« Göran hatte die Mundwinkel zu einem höhnischen Lächeln verzogen, aber sein Blick war kalt geblieben. Schwarze, leere Augen, wie bei einem Hai.
Göran hatte der Friseurin ein wenig fester als üblich dieWange getätschelt und dann mit festem Griff seine Finger in Erikas Wangen gebohrt, hineingekniffen und Handküsse in ihre Richtung geworfen, bevor er wieder verschwand. Die Friseurin hatte angefangen zu weinen. An die Frisur konnte Erika sich hinterher nicht mehr erinnern. Nur noch daran, dass sie Angst gehabt hatte, dass sie Göran nicht gefallen könnte. Ihre Friseurin hatte sie anschließend gebeten, nie wieder zu ihr zu kommen, sie hatte noch nicht einmal Geld nehmen wollen.
Erika zuckte zusammen, riss sich von den Gedanken los, schniefte und schluckte. Per und sie sollten mit Jan Olofs Partner in der Firma sprechen und sich weiter mit den Hinweisen und Namen abmühen, die sie von Barbros Arbeitskollegin Vanja erhalten hatten.
Sie fühlte sich schläfrig, schwindelig und schlapp und stellte fest, dass eine weitere SMS auf ihrem privaten Handy eingegangen war, die sie aus ihren Träumen gerissen hatte. Sie hatte sie ignoriert, wollte nicht die anwachsende Liste mit Nachrichten von Göran sehen, in denen er beteuerte, dass es ihm leidtäte; traurige, klägliche, flehende und manchmal wütende Nachrichten.
Hinter diesen freundlichen Worten konnte sie ihn nicht wiedererkennen. Sie waren bewusst harmlos und zu Tränen rührend gewählt und sollten sie als hartherzig und grausam darstellen, falls jemand sie zufällig lesen würde. Für Erika aber waren es Chiffren, denen eine ganz andere Bedeutung zugrunde lag.
Nach kurzem Zögern öffnete Erika die Nachricht und las die SMS: Sie stammte nicht von Göran, sondern von ihrem Cousin Karl. In den letzten Tagen hatte sie mehrere neue SMS von derselben Nummer erhalten, es aber erst einmal aufgeschoben zu antworten. Karl wohnte nördlich von GöteborgsInnenstadt, in Backa auf Hisingen. Irgendwie hatte er davon erfahren, dass sie nach Göteborg gezogen war.
Sie las die SMS. Sie war freundlich, aber etwas kindlich formuliert. Er hätte gerne wieder Kontakt zu ihr, ob sie sich nicht auf einen Kaffee treffen wollten? Erika las die Nachricht wieder und wieder. Sie fühlte sich seltsam hin- und hergerissen. In seinen Worten lag nichts Berechnendes, Vorwurfsvolles, ja nicht einmal Enttäuschung war zu spüren. Die wenigen Male, die sie sich gesehen hatten, waren an einer Hand abzuzählen und bestanden aus ein paar Sommern am Ufer des Storsjöns in Orrviken auf dem Hof ihrer Großeltern mütterlicherseits – und ein paar steifen Treffen, als Erika frisch nach Stockholm gezogen war und Karl dort gewohnt hatte.
Er hatte sie damals sogar auf eine unbeholfene Art und Weise anzugraben versucht, aber Erika hatte ihn freundlich und entschieden abgewiesen. Und Karl war sauer gewesen, ja geradezu empfindlich gekränkt. Gleich darauf war er nach Göteborg gezogen, und seitdem hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt. Aber Erika verspürte ab und zu immer noch Gewissensbisse. Ihre Nummer herauszufinden war nicht schwer. Trotzdem bereitete ihr sein Versuch, Kontakt mit ihr aufzunehmen, Unbehagen.
Sie sah unentschlossen auf die Anzeige des Handys, doch dann rief sie ihren Cousin an. Er klang erfreut. Fragte, wie es ihr gehe und ob sie nicht Lust auf einen Kaffee in der Stadt hätte. Wenn sie wolle, könne er ihr ein bisschen die Gegend zeigen, schließlich seien sie ja verwandt. Seine Stimme klang seltsam vertraut und doch fremd, und Erika lauschte zerstreut seinem langatmigen Geplauder.
»Es ist furchtbar nett, dass du dich gemeldet hast«, sagte sie nach einer Weile und versuchte, ihrer Stimme einen freundlichen und neutralen Klang zu verleihen. »Aber ichbin, wie gesagt, gerade erst angekommen und habe es noch nicht geschafft, mich ganz einzurichten, und bei der Arbeit gibt es auch gerade viel zu tun. Also nicht sofort. Aber vielleicht später, wenn alles etwas zur Ruhe gekommen ist?«
Er klang nicht übertrieben enttäuscht, sie war erleichtert.
»Das ist vollkommen in Ordnung, Erika! Wir müssen einfach in Kontakt bleiben, wo wir doch so viel gemeinsam haben«, gluckste er, als ob sie ein Geheimnis miteinander teilen würden.
Erika schüttelte den Kopf. Gemeinsam? Sie hoffte, dass
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