Die Frau des Praesidenten - Roman
folgenden Trinksprüche von Charlies Brüdern, an die ich im Vorfeld mit Grauen gedacht hatte, fielen plump, aber im Wesentlichen harmlos aus.
Während der Feier, Charlie unterhielt sich gerade mit meiner Mutter, setzte ich mich zu meiner Großmutter. Mrs. Falke war auf der Toilette, und meine Großmutter betrachtete rauchenddas Geschehen. »Was für eine Familie, in die du da einheiratest«, sagte sie. Wir sahen einander an, und sie fügte hinzu: »Sie haben Glück, dass sie dich kriegen.«
»Darf ich einen Schluck?« Ich deutete auf das Champagnerglas, das vor ihr auf dem Tisch stand, und sie nickte. »Mom hat mir erzählt«, begann ich, »dass du Dr. Wycomb schon eine ganze Weile nicht mehr besucht hast. Also, wenn es an der anstrengenden Zugfahrt liegt, könnte ich dich irgendwann mal nach Chicago fahren – schon an einem der nächsten Wochenenden. Nach der Hochzeit wird es erst mal ziemlich ruhig werden.«
Meine Großmutter machte ein bestürztes Gesicht.
»Natürlich nur, wenn du willst«, sagte ich schnell. »Ich dachte nur …«
»Ich befürchte, Gladys würde uns nicht hereinbitten, wenn wir vor ihrer Tür auftauchten.« Sie lächelte traurig. »Wir haben uns vor Jahren zerstritten.«
»Gab es …« Ich zögerte. »Ist etwas vorgefallen?« Und so waren wir schließlich bei dem Thema angelangt, dem ich all die Jahre geflissentlich aus dem Weg gegangen war. Und statt von Nervosität und Widerwillen gepackt zu werden, war ich vollkommen ruhig, ganz nach dem Motto: zum Teufel damit. Ich fragte mich sogar, warum ich all die Jahre so viel Energie aufgebracht hatte, um einem Gespräch aus dem Weg zu gehen.
»Gladys wollte, dass ich zu ihr nach Chicago ziehe«, sagte meine Großmutter. »Vor allem nachdem du mit der Schule fertig warst, fragte sie mich: ›Was hält dich noch in Riley?‹ Sie hatte kein Kind oder Enkelkind und konnte mich daher nicht verstehen. Sie fand, ich würde meinen Lebensabend in diesem kleinen spießigen Ort vergeuden, statt mit ihr ein mondänes Leben zu führen. Aber ich habe nie ernsthaft darüber nachgedacht. Dein Vater hätte es nicht verstanden, und mich zwischen Gladys und meinem Sohn entscheiden zu müssen war keine wirkliche Entscheidung.«
Ich schluckte. »Und dann habt ihr den Kontakt verloren?«
»Sie hat eine Beziehung mit jemand anderem begonnen.« Sie verzog ironisch den Mund, als sie an ihrer Zigarette zog.»Einer jüngeren Frau, wenn ich mich nicht irre. Es ist nicht schwer, jünger zu sein als ich, aber ich meine auch, ein ganzes Stück jünger als Gladys. Ein Jungbrunnen, nennt man das nicht so?«
»Das tut mir leid, Granny. Es tut mir leid, dass …« Ich hielt inne.
Dass ich mich kindisch deinen Wünschen gegenüber aufgeführt habe. Dass ich unfähig war, etwas zu akzeptieren, das niemandem Schaden zugefügt hat. Dass ich so getan habe, als wäre es schändlich, aber nicht, weil ich mir selbst die Mühe gemacht habe, darüber nachzudenken, sondern weil mir irgendwer irgendwann den Eindruck gegeben hat, dass es so wäre.
»Es tut mir leid, dass es sich so entwickelt hat.«
»Nun, es ist ja nicht erst gestern passiert.« Sie hielt mir ihr Champagnerglas hin. »Bring mir was Stärkeres zu trinken, bist du so gut? Mögen Republikaner denn keine Old Fashioned?«
»Ich finde bestimmt jemanden, der dir einen macht.«
Als ich aufstand, sagte meine Großmutter: »Deine Schwiegermutter scheint mir ein schlauer Fuchs zu sein.«
»Ich glaube nicht, dass sie viel von mir hält.«
Meine Großmutter klopfte ihre Zigarette über einem Aschenbecher ab. »Dann musst du irgendwas richtig machen.«
Als wir nach dem Fest aus der Auffahrt fuhren, schlug sich Charlie mit der Hand an die Stirn und rief sarkastisch: »O verdammt – wir haben die Strumpfbandversteigerung vergessen!« In Riley, wenn nicht in Madison, war ich auf vielen Hochzeiten gewesen, auf denen das Strumpfband der Braut versteigert worden war; ich nahm an, dass Charlie nie Gast auf einer solchen Hochzeit gewesen war.
Wir hatten ein Zimmer in einem Bed and Breakfast in Waukesha reserviert. »Es sieht aus wie ein Spukschloss«, sagte Charlie, als wir in den Kiesweg zu dem blaugrauen Haus im viktorianischen Stil einbogen.
Ich hatte mich auf Empfehlung einer Kollegin dafür entschieden und erwiderte: »Du hättest ja was anderes aussuchen können.«
»Bist du immer so ein Muffel, wenn du heiratest?«, fragte er, und wir grinsten uns an.
Gegen drei Uhr morgens rüttelte Charlie an mir, und ich wachte
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