Die Frau des Praesidenten - Roman
des Standes, sah ich Nadine stehen. Unsicher, was ich tun sollte, lächelte ich sie an.
»Wie ich hörte, hast du geheiratet.« Sie machte eine nickende Kopfbewegung in Richtung meiner linken Hand, an der, schlicht und golden, mein Ehering steckte.
Mit fiel ein, dass ich ihr nie eine Karte geschrieben hatte, um mich dafür zu entschuldigen, dass ich von dem Hauskauf zurückgetreten war. Ich hatte es vorgehabt, doch in der anfänglichen Aufregung mit Charlie hatte ich es vergessen. »Nadine, es tut mir wirklich leid, was …«
»Ich habe eure Hochzeitsanzeige in der Zeitung gelesen«, sagte sie. »Es wäre angebracht gewesen, mir die Wahrheit zu sagen.«
»Meine Entscheidung hatte nichts mit meiner Hochzeit zu tun«, entgegnete ich.
»Ich weiß nicht, an welchen Makler ihr euch jetzt gewandt habt, aber lass mich dir so viel sagen: Ich war gut genug, für dich zu arbeiten, als du alleinstehend und knapp bei Kasse warst, und ich bin mir sicher, auch wenn du das anders siehst, dass ich einen 1a Job gemacht hätte, um das perfekte Haus für dich und deinen Mann zu finden. Wenn man so lange im Geschäft ist wie ich, kennt man sich in vielen Bereichen aus.«
»Nein, nein«, sagte ich schnell. »Wir haben uns kein Haus gekauft. Wir wohnen in Houghton in einer Mietwohnung.«
»Es gibt Akten, die man einsehen kann, Alice. Ich kannMontag losgehen und herausfinden, wer das Geschäft über die Bühne gebracht hat und wie viel ihr gezahlt habt.«
»Ganz ehrlich«, sagte ich. »Wir wohnen zur Miete.«
Nadine schürzte die Lippen. »Der Sohn des ehemaligen Gouverneurs kandidiert für den Kongress, und du erwartest, dass ich dir abnehme, dass ihr in einer beschissenen kleinen Mietwohnung lebt?«
Es kam auch zu keiner weiteren Auseinandersetzung mit Dena, und ich bin traurig, dass der Grund dafür wahrscheinlich darin lag, dass ich ihr nicht noch einmal begegnete, bevor ich aus Madison wegzog. An dem Tag, als sie mich im Imbiss sitzengelassen hatte, hatte ich trotz ihrer eindringlichen Worte nicht geglaubt, dass unsere Freundschaft damit beendet sein würde; ich hatte angenommen, dass sie mir verzeihen würde. Und ich glaube noch immer, dass es so gekommen wäre, hätten uns die Umstände – die räumliche Distanz – nicht voneinander ferngehalten. Wenn ich den Mut gehabt hätte, nach ausreichender Zeit noch einmal zu ihr in den Laden zu gehen, oder wenn sie einen festen Freund gefunden hätte, während ich noch in Madison wohnte, dann hätten wir vermutlich die Möglichkeit gehabt, dort weiterzumachen, wo wir aufgehört hatten.
Aber ich sah sie vor meinem Umzug nur noch ein einziges Mal, und ich war zu feige, sie anzusprechen. Das war ein paar Monate vor meinem Zusammenstoß mit Nadine, an einem trüben Nachmittag im Februar. Ich verließ gerade einen Schreibwarenladen auf der State Street, wo ich eine Valentinskarte für Charlie gekauft hatte, als ich Dena von hinten auf der anderen Straßenseite erkannte. Für einen Moment stockte mir der Atem, und mit dem Rücken gegen die Backsteinfassade des Geschäfts gepresst, blieb ich regungslos stehen und wartete, bis sie außer Sichtweite war. Ich habe sie dreißig Jahre lang nicht wiedergesehen.
Im November 1978 verlor Charlie die Wahl zum Kongressabgeordneten gegen Alvin Wincek mit 58 zu 42 Prozent.Charlie schnitt besser ab, als man es ihm zugetraut hatte, aber trotzdem hatte es nicht gereicht. Im Frühjahr hatte ich bei Lydia Bianchi, der Direktorin der Liess, meine Kündigung eingereicht, und den Sommer und Herbst über war ich dann mit Charlie in einem Pick-up herumgereist, auf dessen Ladefläche wir in Gartenstühlen saßen und an dessen Seiten WÄHLT-BLACKWELL-Schilder angebracht waren. Ich hatte ihm zugehört, wie er sich Tausenden Wählern vorstellte und mehrere hundert Male die gleiche Rede hielt, ich hatte ihm Hustenbonbons gereicht, wenn seine Stimme ihn verließ und er trotzdem weitersprach, ich hatte ihm die Hand gehalten, ich hatte geklatscht, ich hatte Zwiebelringe und Pommes frites gegessen, ich hatte wieder geklatscht und noch mehr Zwiebelringe und noch mehr Pommes frites gegessen, und als Charlie am Wahlabend in der Wahlkampfzentrale die Rede hielt, mit der er seine Niederlage anerkannte, mussten wir beide ein wenig weinen – wir taten das nicht aus den exakt gleichen Gründen, aber auch nicht aus komplett verschiedenen. Zusammen hatten wir etwas Großes durchgestanden, und unsere Ziele waren einander ähnlicher, als sie es vor unserer Ehe gewesen
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