Die Frau des Praesidenten - Roman
einer Diskussion, die ich seit Monaten mit mir selbst führte. »Wie viel trinkt Arthur an einem normalen Abend? Wenn ihr alle zusammen Abendbrot esst, zum Beispiel?«
»Er trinkt ein paar Bier. Und
ich
trinke ein paar Bier. Und
Drew
trinkt ein paar Bier. Ich bin eine furchtbar schlechte Mutter, oder?« Sie lachte. »Kein Wunder, dass jeder glaubt, wir in Wisconsin seien alle Quartalssäufer.«
»Dann trinkt Arthur also drei Bier? Oder mehr?«
»Alice, lass uns nicht um den heißen Brei herumreden. Wie viel trinkt Charlie?«
Zögernd antwortete ich: »Na ja, in letzter Zeit ist es vor allem Whiskey, und ich würde sagen, ungefähr eine Drittel Flasche, vielleicht auch ein bisschen weniger. So genau weiß ich es nicht, weil er die Kisten im Großhandel kauft.«
»Pro Abend eine Drittel Flasche?«
»Ich glaube schon.«
»Und
wirkt
er betrunken?«
»Letzte Woche hat er sich auf dem Weg in die Küche den Kopf am Türrahmen gestoßen, als hätte er sich in der Breite des Durchgangs verschätzt. Aber vor allem ist seine Laune nicht die beste. Er ist nicht aggressiv, eher mutlos. Natürlich muss ich dich bitten, Arthur nichts davon zu erzählen.«
»Während wir einander leidenschaftlich umarmen, meinst du?«
»Charlie spielt morgens nicht mehr Squash und bringt Ella nicht zur Schule«, sagte ich. »Ich weiß nicht, ob er verkatert ist oder einfach nur … ich weiß es nicht.«
»Hast du ihn mal drauf angesprochen?«
»Ich habe ihn gebeten, sich zurückzuhalten, aber ich würde nicht sagen, dass er auf mich gehört hat.«
»Also, dann achte ich darauf, ob mir irgendetwas Ungewöhnliches auffällt, wenn wir am Samstag bei Maj und Pee-Paw sind.« Jadey verzog das Gesicht. »Wobei ich nicht sagen würde, dass die Umstände gewöhnlich sind, nach dem ganzen Bohei in Indianapolis – falls dich das ein bisschen beruhigt: Arthurs Laune war gestern Abend einfach zum Davonlaufen.«
»Während wir uns hier unterhalten, grillt Charlie zu Hause Steaks zum Abendbrot«, sagte ich. »Würdest du im Moment Fleisch von Blackwell essen?«
Sie nickte. »Es war nicht ihr Fehler. Dann hätten inzwischen viel mehr Menschen krank werden müssen, und du kannst darauf wetten, dass unsere Leute in jeder Notaufnahme der Region nachgefragt haben. Die von dem Sportfest können einem leidtun, oder?« Wir schwiegen eine Weile. Eine Frühlingsbrise wehte den Geruch von frischer Erde über das satte, grüne Gras des Country Club. Dann sagte Jadey: »Das ist eben das Problem, wenn man mit einem von ihnen verheiratetist. Es bleibt uns nicht erspart, zu wissen, wie die Wurst in die Pelle kommt.«
Beim Abendessen schaffte ich es tatsächlich, ein Steak runterzukriegen, auch wenn ich nicht behaupten würde, dass ich es genossen hätte. Ohne vorher mit Charlie darüber zu sprechen, machte ich für Ella stattdessen ein Erdnussbutterbrot – es hätte mich viel nervöser gemacht, wenn sie Blackwell-Fleisch gegessen hätte, als wenn ich es tat –, und Charlie hatte es entweder nicht bemerkt oder beschlossen, nichts dazu zu sagen. Nach dem Essen badete Ella, und ich wusch ihr die Haare, wobei mir schmerzlich bewusst wurde, dass sie mich nur allzu bald nicht mehr darum bitten würde, das zu tun. Dann setzte ich mich zu ihr aufs Bett und las ihr aus
Der Schwan mit der Trompete
vor. Das war für mich immer der schönste Teil des Tages. Bevor ich das Licht ausmachte, beorderte sie jedes Mal Charlie in ihr Zimmer. Sie kreischte: »Daddy! Daddy, du musst mich zudecken!«, und er hörte aufs Wort. Oft genug weckte er sie eher wieder auf, als dass er sie zur Ruhe gebracht hätte, indem er sie durchkitzelte, ihr etwas vortanzte oder so unmögliche Geräusche und Gesichter machte, dass sie quiekend vor Lachen auf dem Bett herumhüpfte. An diesem Abend wirkte er jedoch so gedämpft, dass Ella mich, sobald er wieder gegangen war, im Flüsterton fragte: »Ist Daddy sauer auf mich?«
Ich ließ meine Hand über ihr Haar gleiten und strich es auf dem Kissenbezug glatt. Ella hatte ein übertrieben kindlich eingerichtetes Schlafzimmer, ganz in Rosa und Weiß (wir hatten ihr erlaubt, die Möbel selbst auszusuchen), und sie hatte ein Doppelbett, was für eine Drittklässlerin etwas verschwenderisch wirkte. Es war einfach das Bett, das ich vor meiner Ehe mit Charlie benutzt hatte. »Daddy ist nicht wütend«, sagte ich. In dem Moment klingelte das Telefon, und ich hörte, wie Charlie sich meldete.
»Kann ich übers Wochenende
Dirty Dancing
ausleihen?«, fragte
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