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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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weißt du noch, wie du einmal nachts um drei reinkamst, und ich lag im Bett und konnte nicht aufhören zu lesen? Ich
konnte
einfach nicht! Okay, Mrs. Blackwell, ich wette, das wird Ihnen auch nicht gefallen, aber kennen Sie die Harlequin Romances? Einige von denen sind richtig gut, wirklich.
Sturm über den Wolken
ist mein Lieblingsband, weil die Frau darin nach Rom geht, nach Italien.«
    »Du weißt hoffentlich, dass ich dich nicht kritisieren will, Jessica«, sagte ich. »Ich finde es toll, dass du so viel liest.«
    »Dad und ich haben gerade
Sophiechen und der Riese
fertig gelesen, über den GuRie«, verkündete Ella, und Yvonne fragte geduldig: »Und wer oder was ist der GuRie?«
    »Er isst immer nur Kotzgurken, aber die schmecken ihm überhaupt nicht«, sagte Ella, und ich sagte: »Ella, vielleicht solltest
du
ab und zu mal Dinge essen, die dir nicht schmecken.« Yvonne erklärte ich: »GuRie steht für guter Riese. Das Buch ist von Roald Dahl.«
    »Mommy, kann Jessica mit uns zum Pool kommen?«, fragte Ella.
    »Oh, aber das Wasser ist viel zu kalt«, sagte Jessica. »Ich habe nur einmal den kleinen Finger reingesteckt und ihn
sofort
wieder rausgezogen.«
    »Kann sie mit?«, drängelte Ella, und ich hoffte inständig, dass niemand außer mir merkte, dass Jessica von dem Schwimmbecken bei Harold und Priscilla sprach – seit sie in Washington waren, blieb es das ganze Jahr über abgedeckt –, während Ella an den Maronee Country Club dachte. Es war, soweit ich wusste, nicht so, dass Schwarze offiziell von der Mitgliedschaft ausgeschlossen gewesen wären, aber selbst 1988 gab es im gesamten Club niemanden mit dunkler Hautfarbe. Die Mitglieder des Stiftungsrats hätten sicher behauptet, das läge daran, dass es so wenig Schwarze in Maronee gab und sie sich nicht um die Aufnahme bewarben. Selbst die Angestellten des Clubs, die Kellnerinnen und Barmänner, die Bademeister und die Trainer im Kraftraum, waren alle weiß, mit der einzigen Ausnahme einer Putzkraft, die dem Aussehen nach Latina war. Ungefähr zweimal pro Sommer kam es vor, dass jemand mit schwarzer Hautfarbe am Pool gesichtet wurde, meist ein Kind, das zusammen mit seiner Schulklasse zu einer Geburtstagsfeier eingeladen worden war, und sofort wurde bei den Schwimmern und den Sonnenhungrigen rund um das Becken eine gewisse Wachsamkeit spürbar, ein Unbehagen – ob dies eher der Scham geschuldet war, dass der Club so exklusiv war, oder der Entrüstung darüber, dass ein ungeschriebenes Gesetz gebrochen wurde, hing von der jeweiligen Person ab.
    »Da gibt es auch Milchshakes«, sagte Ella, und Jessica fragte: »Grandma, hast du für Ella Blackwell Milchshakes gemacht und für mich nicht?«
    »Nein, im Club meine ich«, sagte Ella, aber ich fiel ihr insWort: »Ich fürchte, heute wird niemand mehr schwimmen gehen, egal wo.« Als wir uns in den Garten gesetzt hatten, war es sonnig gewesen, aber inzwischen hatte sich der Himmel bezogen. »Wer kommt mit rein und will Rhabarberkuchen?«
    Die Suttons hatten diesen Nachtisch selbst mitgebracht, und ich hatte wortreich mein Entzücken geäußert, als Jessica ihn mir überreichte, und mich dann beeilt, heimlich die Kekse wegzuräumen, die Ella und ich morgens gebacken hatten. Wir aßen den Kuchen im Esszimmer, und danach überreichte Ella die Geschenke, die wir am Tag zuvor gemeinsam ausgesucht hatten: Einen gelben Strampelanzug von Miss ’n Master für Antoine und dazu ein ziemlich albernes Paar Schuhe, winzige rote Lederstiefelchen mit einem Baseball auf den Zehen – ein eher unpraktisches Geschenk, auf dem Ella bestanden hatte. Für Jessica waren wir (unter dem Vorwand, dass sie bald die sechste Klassenstufe abschließen würde, in Wirklichkeit aber, weil ich nicht wollte, dass sie sich übergangen fühlte, wenn Antoine Geschenke bekam) in die Mayfair Mall zu Marshall Field’s gegangen und hatten eine Uhr mit transparentem rosafarbenen Armband und einer rosa Blüte auf dem Zifferblatt gekauft. Jessica band sie sich um und streckte gerade den Arm aus, damit wir sie alle bewundern konnten, als ich vom Flur her Charlies Stimme hörte.
    »So, so, so«, sagte er, und als wir uns alle nach ihm umgedreht hatten, grinste er. »Ist es erlaubt, in euer Damenkränzchen reinzuplatzen?«
    »Da sieh mal einer an«, sagte Yvonne. »Und wir dachten, du müsstest arbeiten, Charlie.«
    »Wie hätte ich wegbleiben können?«, sagte er. Er trug eine blassblaue Hose – in einem ähnlichen Farbton wie Antoines Schlafsack –, ein

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