Die Frau des Praesidenten - Roman
weißes Polohemd und weiße Socken; seine Golfschuhe hatte er im Flur ausgezogen. Falls es noch Zweifel darüber gegeben haben sollte, wo er gerade gewesen war, trug er seine Golftasche über der Schulter und lehnte sie im Esszimmer an die Wand. Mir fiel auf, dass sein Haar und seine Schultern nass waren, und als ich zum Fenster hinaussah, stellte ich fest, dass es regnete. »Und hier haben wir bestimmtden Mann der Stunde«, fuhr Charlie fort. Er ging zu der Sitzschale auf dem Fußboden, in der Antoine eingeschlafen war, beugte sich darüber und sagte: »Das ist mal ein verdammt gutaussehendes Baby. Saubere Arbeit, Yvonne. Schlag ein!« Er hob die Hand, aber bevor Yvonne seiner Aufforderung nachkommen konnte, entdeckte er den Kuchen und rief: »Futter!« Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass er getrunken hatte. Er schnitt sich ein großes Stück davon ab und nahm es in die Hand. Schweigend reichte ich ihm meinen Teller und meine Gabel, die er auch annahm, ohne sie allerdings zu benutzen.
»Charlie Blackwell, Sie haben Manieren wie ein Bierkutscher«, sagte Miss Ruby, und Jessica und Ella kicherten.
Auch Charlie lächelte. »Yvonne, wenn ich nicht selbst so eine großartige Mutter hätte, hätte ich mir schon vor Jahren deine geschnappt.« Er wischte sich mit der nächstbesten Serviette die Hände ab und legte Miss Ruby eine Hand auf die Schulter. »Jessica, deine Großmutter ist ein Stück nationales Kulturgut«, sagte er, und ich fragte mich, ob Miss Ruby den Alkohol in seinem Atem riechen konnte.
»Daddy, schau mal!« Ella, die sich während der Geschenkzeremonie wie eine selbsternannte Aufsichtsperson neben Jessica postiert hatte, trat einen Schritt vom Tisch zurück, aber als alle sie ansahen, nahm sie abrupt eine andere Haltung ein: Sie zog die Schultern hoch, legte den Kopf schief und blinzelte unter gesenkten Lidern hervor. »Ach, schon gut«, sagte sie leise. Das war eine neue Angewohnheit von ihr – in ihrer Klasse gab es ein Mädchen namens Mindy Keppen, die jedes Mal erstarrte, wenn eine der Lehrerinnen sie aufrief, und seit ich Ella daraufhin erklärt hatte, was Schüchternheit sei, war sie fasziniert von diesem Konzept. (Ach, mein trunkener Ehemann und meine liebliche, heuchlerische Tochter.)
»Du willst ihm die Choreographie zeigen, oder?«, sagte Jessica. »Sollen wir sie zusammen vorführen?«
Ella blickte zu ihr hoch, lächelte und nickte eifrig. Jessica stand auf, und beide hoben mehr oder weniger gleichzeitig die Arme und schwangen die Hüften hin und her.
»Cheerleader, steigt in den Ring,
Basketball ist unser Ding!
Eins – zwei – drei und vier,
Noch ein Korb, dann siegen wir!«
Bei »eins« schüttelten sie imaginäre Pompons über ihren Köpfen, bei »zwei« auf der Höhe ihrer Knie, um bei »drei« die Hände vor der Brust zusammenzuführen und bei »vier« einen Korbwurf anzudeuten.
»Hervorragend«, sagte Charlie, als sie fertig waren. »Ganz großartig!« Mir schnürte sich die Kehle zu, als er den Tisch umrundete, sich zu den beiden Mädchen setzte und sagte: »Also, wie geht das noch mal?
Cheerleader, steigt in den Ring
…« Kichernd brachten sie ihm den Text bei. Ella war außer sich vor Glück – wahrscheinlich konnte sie sich einfach nichts Schöneres vorstellen, als mit einem bewunderungswürdigen älteren Mädchen zusammen ihrem Vater eine Cheerleaderchoreographie beizubringen, und das vor Publikum –, während Jessica gern mitmachte, aber gleichzeitig, so schien es mir, einzuschätzen versuchte, was Charlie eigentlich vorhatte. Jessica und Charlie kannten einander seit Jessicas Geburt und hatten wahrscheinlich noch kein einziges ernsthaftes Gespräch miteinander geführt.
Als er den Text auswendig konnte, sagten sie ihn zu dritt auf, und am Ende rief Charlie: »Go, Brewers!«
Ella lachte und klammerte sich an seinem Gürtel fest. »Nicht Baseball, Daddy,
Basketball
!«, rief sie. Charlie hob sie zu sich hoch, und die beiden strahlten einander an. Das war eindeutig der Höhepunkt des Nachmittags, und die Suttons schienen das zu spüren, denn kurz darauf erhoben sie sich und sammelten Antoines Wickeltasche, die Geschenke und die Kuchenform ein, um sich zu verabschieden. Ich zog eine Regenjacke über und begleitete sie zu ihrem Auto. Dort angekommen, fragte ich Jessica: »Hast du schon Pläne für die Sommerferien?«
Sie nickte zu Antoine herunter, den sie in der Sitzschale zum Auto trug, und sagte: »Das hier sind meine Pläne – Baby A undV. C. Andrews.
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