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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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als ich ein Kind weinen hörte. Es klang nach einem Mädchen, irgendwo hinter mir, und es dauerte eine Weile, bis ich mit einem Schrecken bemerkte, dass das Kind niemand anderes war als Ella. Ich saß auf einem Handtuch im Sand, und meine Mutter hatte sich neben mir einen Klappstuhl aufgestellt. Sie trug keinen Badeanzug, sondern eine Stoffhose und eine kurzärmelige Bluse; ihr einziges Zugeständnis an ihre Umgebung war, dass sie barfuß war und ihre flachen Halbschuhe in einer Hand hielt. Sie hatte mir gerade von dem Streit um den richtigen Standort für das in Riley geplante Denkmal für die Veteranen des Koreakriegs erzählt. Es wurde heftig darum gestritten, ob es am Ufer des Riley River stehen sollte oder in der Innenstadt, in der Commerce Street. Ich warf einen Blick über die Schulter und sprang auf. »Warte mal, Mom«, sagte ich. »Bin gleich wieder da.«
    Der Strand des Pine Lake war nicht besonders groß, ungefähr hundert Meter lang, und anders als in meiner Kindheit gab es dort inzwischen einen Bademeister und Taue, die den zum Schwimmen zugelassenen Bereich begrenzten. Das Areal gehörtezum Pine Park, und auf den Wiesen hinter dem Sandstrand waren Picknicktische und Grillplätze eingerichtet worden. In einer Ecke des mit Kies aufgeschütteten Parkplatzes stand ein Eiswagen mit Schiebefenstern an der Längsseite. Und vor diesem Eiswagen stand meine Tochter in Flip-Flops und Badeanzug, mit nassen, wirren Haaren und einem verweinten, geröteten Gesicht und schluchzte hysterisch. Als sie mich kommen sah, wollte sie auf mich zustürzen – »Mommy!«, heulte sie, und es brach mir fast das Herz –, aber ein Junge in einer weißen Schürze hielt sie auf, indem er sie am Handgelenk packte. Einige der Badegäste, die gerade in der Nähe ihre Süßigkeiten oder Hamburger aßen, blieben stehen, um zuzusehen.
    »Er tut mir weh!«, rief Ella, und ich sagte zu dem Jungen: »Ich bin ihre Mutter. Was geht hier vor?«
    »Sie hat ein Eis geklaut!« Der Junge bebte vor Zorn. Er war über einen Meter sechzig groß, sehr blass, hatte kurzgeschorene Haare und einen Flaum auf der Oberlippe.
    Ich legte meine Hand auf Ellas Unterarm und schob die Hand des Jungen weg – mit einer entschlossenen, aber nicht aggressiven Geste, so hoffte ich. »Ich kümmere mich um sie«, sagte ich, und zu meiner Erleichterung ließ er sie los. Ella vergrub sofort ihr Gesicht an meinem Bauch. »Wenn du mir sagst, was passiert ist, werden wir das Problem sicher lösen können«, sagte ich zu dem Jungen.
    »Sie hat geklaut!«, wiederholte der und zeigte auf den Kies zu unseren Füßen, wo eine Kugel Vanilleeis neben einer Waffel lag und langsam zerfloss. »Sie wollte das Eis mitnehmen, ohne zu bezahlen.«
    Ella murmelte etwas zu ihrer Verteidigung.
    »Was sagst du, Liebling?«
    Sie hob den Kopf, und ihr Gesicht war noch immer tränenverschmiert und gerötet. »Er wollte mich nicht unterschreiben lassen!« Schnell verbarg sie ihr Gesicht wieder.
    Ich begann zu erklären: »Das war ein Missverständnis. Wir leben nicht in Riley, und da wo wir wohnen, bezahlen wir, indem wir …« Es hatte keinen Sinn. Ihm die Regeln unseres Country Club zu erklären würde das Ganze nur schlimmermachen. »Wenn du einen Augenblick warten würdest, hole ich schnell mein Portemonnaie. Hat sie außer dem Eis noch was gegessen?«
    Ella hob wieder den Kopf. »Ich hab es ja gar nicht gegessen! Er hat es mir weggenommen!«
    »Du hast dran geleckt«, gab der Junge zurück, und ich fragte: »Was hat es denn gekostet?«
    »Einen Dollar fünfundsiebzig.«
    »Mein Portemonnaie ist im Auto, gleich da drüben.« Ich zeigte darauf. »Der blaue Volvo Kombi, siehst du ihn? Du kannst sehen, wie ich hingehe, und dann komme ich sofort wieder zurück. Ella, kommst du bitte mit?« Ich lächelte dem Jungen und den Leuten zu, die uns beobachteten, dann löste ich Ella von mir und nahm sie bei der Hand. Während wir zum Auto hinübergingen, ließ sie ihr Haar über ihr Gesicht fallen. »Ich hasse es hier«, sagte sie leise.
     
    Bis wir wieder zurück waren, hatte Jadey dreimal angerufen. Lars hatte die Zeiten, zu denen sie sich gemeldet hatte, gewissenhaft und auf die Minute genau auf einem Zettelblock neben dem Apparat in der Küche notiert.
    Ich ging nach oben, um von dort aus zurückzurufen. Eigentlich war mir nicht danach, mit ihr zu reden, weil ich nicht wusste, was ich hätte sagen sollen, aber ich war mir sicher, dass sie es noch einmal versuchen würde, wenn ich es nicht tat, und

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