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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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dass meine Mutter darüber ihre Vermutungen anstellen würde. Meine Mutter ahnte sicher schon längst irgendetwas; es konnte nur ihre für den Mittleren Westen so typische zurückhaltende Art sein, die sie davon abhielt, mich direkt zu fragen, warum wir so plötzlich bei ihr aufgetaucht waren.
    »Du hast es also wirklich getan«, sagte Jadey. Im Hintergrund bellte Lucky, und Jadey rief irgendjemandem zu: »Bring ihn in den Garten!« Ich hörte Winnie protestieren, und Jadey sagte zu ihr: »Ich habe aber nicht deinen Bruder darum gebeten, sondern dich.« Zu mir sagte sie: »Chas ist gestern kurz vor Mitternacht hier aufgeschlagen.«
    »Wie ging es ihm?«
    »Ich habe ihn nur sehr kurz gesehen, und heute Morgen ist er früh losgefahren, aber er hat Arthur erzählt, dass du sauer auf ihn bist. Du hast doch nicht die Scheidung eingereicht, oder?«
    »Nein«, beeilte ich mich zu antworten. »Nein, wir sind nur … Ella und ich werden einfach eine Weile hierbleiben.«
    »Alice, ich bin es doch. Ich werde niemandem weitersagen, was du mir erzählst, am wenigsten Chas, falls du das befürchtest.«
    Ich befürchtete eher, dass sie es Billy Torks oder einer ihrer Freundinnen weitersagen könnte.
    »War Princeton so schlimm?«, fragte sie. »Denk an meine Worte – kaum setzen diese Jungs einen Fuß auf den Campus, schon spielen sie verrückt. Sie lassen sich eben einfach mitreißen.«
    »Das war es nicht«, sagte ich. »Jedenfalls nicht nur. Jadey, ich bin dir dankbar für deine Anteilnahme, wirklich, aber ich brauche einfach nur ein bisschen Abstand.«
    »Na ja, schon gut, tu, was du tun musst.« Sie senkte die Stimme; vielleicht war Winnie wieder hereingekommen. »Wann immer du bereit bist zurückzukommen, wir werden für dich da sein.«
     
    Abends gingen Ella und Lars ungefähr zur selben Zeit ins Bett, und meine Mutter und ich sahen uns zusammen
Unter der Sonne Kaliforniens
an. Ich hatte gedacht, wir würden uns während der Episode unterhalten, musste aber überrascht feststellen, dass meine Mutter, wie ihre Körpersprache mir verriet, die Handlung inzwischen mit großem Interesse verfolgte. Also schwieg ich, außer in den Werbepausen. Nach dem Ende der Folge wandte sie sich mir zu, lächelte scheu und sagte: »Es ist wohl ziemlicher Schund.«
    »Schund hat auch seinen Reiz.«
    »Es tut mir so leid, was der armen Ella heute am Strand passiert ist. Weißt du, ich glaube, der Junge, der so mit ihr geschimpft hat, war Tim Ziemniak. Ich habe einen Blick in den Eiswagen geworfen, als wir losgefahren sind.«
    »Der Sohn von Roy und Patty?« Mit Roy war ich die ganze Schulzeit über in eine Klasse gegangen, und sein Vater war mein Zahnarzt gewesen. Patty hatte ebenfalls die Benton County Central High besucht, ihren Abschluss aber einige Jahre nach uns gemacht.
    »Er hat es bestimmt nicht böse gemeint«, sagte meine Mutter. »Er kann ja kaum älter als vierzehn oder fünfzehn sein, und wahrscheinlich nimmt er seine Verantwortung furchtbar ernst.«
    »Ella kommt schon damit zurecht.«
    »Sie hier zu haben erinnert mich an dich in ihrem Alter.«
    »Oh, Ella ist viel temperamentvoller, als ich es war«, sagte ich. »Sie ist ein echtes Energiebündel.«
    »Weißt du …« Meine Mutter stockte einen Augenblick. Ihre Stimme klang nachdenklich und ein wenig traurig, so wie jede Erinnerung traurig klingen muss, weil die Vergangenheit traurig ist. »Woran ich mich vor allem erinnere, ist, dass du immer so ein liebes kleines Mädchen warst.«
    In diesem Moment spürte ich eine warme Welle der Zuneigung in mir aufsteigen. Es war so ein großes Glück, dass ich von einer geduldigen und unkomplizierten Mutter aufgezogen und geliebt worden war. Oft hatte ich sie nicht genug zu schätzen gewusst, dachte ich, weil sie so sehr im Schatten meiner extrovertierten und unterhaltsamen Großmutter gestanden hatte. Aber je älter ich wurde, desto mehr fielen mir die Grausamkeiten auf, die Familienmitglieder aneinander begingen, sei es aus Neid, Ignoranz oder Verzweiflung oder einfach aus Langeweile. Menschen konnten auf ganz banale, alltägliche Weise so brutal sein. Das war es, was ich Ella ersparen wollte: dass ein bloßer Zufall, der Zufall ihrer Geburt, sie Charlies Selbstsucht und seinen kindischen Launen auslieferte. Zu erleben, wie sich ein Erwachsener gedankenlos und impulsiv verhielt und wie man ihm dieses Verhalten stillschweigend durchgehen ließ, das musste einem Kind ein falsches Weltbild vermitteln, dachte ich – vielleicht würde es

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