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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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vorne anzufangen: zwei Badeanzüge statt vier, sieben statt einem Paar Socken, kein schwarzes Kleid. Sie schien über meine plötzliche Ankündigung,dass wir die Stadt verlassen würden, nicht besonders überrascht zu sein, sondern freute sich sogar darauf: »Meinst du, Papa Lars macht mir ein Ei mit Zylinderhut?«, fragte sie. Das war ein Frühstücksgericht, für das er ein Glas auf eine Scheibe Toastbrot stellte, um eine runde Scheibe herauszuschneiden. Dann toastete er diesen Toastbrotkreis und auch den äußeren Rand, briet ein Spiegelei, legte den Rand der Brotscheibe so darüber, das das Eigelb aus dem runden Loch heraussah und legte zuletzt die runde Scheibe auf das Eigelb – und fertig war der Zylinderhut. Ich antwortete: »Wenn du ihn freundlich bittest, tut er das bestimmt.«
    Als wir in Riley ankamen, hatte meine Mutter gerade Erdnussbutter-Fudge gemacht, auf das Ella und ich uns stürzten, während Lars unser Gepäck nach oben brachte. Erst als ich selbst die Treppe hinaufgegangen war, begriff ich, dass Lars Ella in meinem früheren Zimmer und mich im Zimmer meiner Großmutter untergebracht hatte. Mir presste sich das Herz zusammen – es war einer dieser Momente, in dem es mir vorkam, als sei die Zeit ein Teppich, den man mir unter den Füßen wegzog: Alles um mich herum hatte sich so allmählich verändert, dass ich erst jetzt ganz plötzlich aufsah und bemerkte, was für ein tiefgreifender Wandel sich vollzogen hatte. Vor mir stand das schmale Bett meiner Großmutter, nur der Überwurf war ein anderer – dieser war gestreift. Meine Mutter hatte die Schminksachen und Parfumfläschchen, Aschenbecher und Taschentuchboxen von der Kommode und dem Nachttisch weggeräumt. Als ich die Schubladen öffnete, waren diese leer. Aber die Nofretete-Büste stand noch, leicht zur Seite gedreht, auf der Kommode, und das Bücherregal war noch voll. Ich fuhr mit dem Finger die Buchrücken entlang – sie waren nicht alphabetisch sortiert wie meine, und auch sonst konnte ich kein Ordnungssystem erkennen.
Das Bildnis des Dorian Gray
und
Die Clique
und
Vom Winde verweht, Frankenstein
und
Aus Mangel an Beweisen
und
Der Graf von Monte Christo
und
Das goldene Notizbuch, Kaltblütig, Lady Chatterley, Der große Santini, Der Malteser Falke, Sohn dieses Landes …
so viele Welten, so viele Versionen meiner selbst, in die ich mich verwandelthatte, als ich genau diese Bücher gelesen hatte, und so viele Versionen ihrer selbst, in die sie geschlüpft war. Ich zog
Die stolzen Ambersons
von Booth Tarkington aus dem Regal und schlug irgendeine zufällige Seite auf, um daran zu riechen. Ich presste meine Nase auf das Papier, aber es roch nur nach einem alten Buch, nach einem alten Haus, gar nicht nach meiner Großmutter.
    Im Fassbinder’s-Museum sagte Lars zu Ella: »Hast du gehört, wie der Käse quietscht?«
    »Und was soll so toll daran sein?«, sagte Ella, und ich sagte: »Ella, das ist unhöflich.«
    Über ihren Kopf hinweg – sie hatte sich an mich gelehnt und zupfte an meiner Bluse herum – bemerkte Lars gutmütig: »Ich glaube, hier braucht jemand seinen Mittagsschlaf.«
    »Ich mache überhaupt keinen Mittagsschlaf mehr«, sagte Ella.
    Das stimmte nicht ganz, aber ich sagte nur: »Was denkst du, wird Grandma die Marmelade mögen, die Papa Lars für sie ausgesucht hat?« Sie antwortete nicht darauf, und ich lächelte Lars entschuldigend zu. »Wir treffen uns dann gleich beim Auto.«
     
    Am selben Abend rief Charlie an, gegen elf Uhr. Ich war als Einzige noch wach, lag im Bett und las
Aussicht auf Regen
von Peter Taylor. Als das Telefon klingelte – es gab einen Apparat im Schlafzimmer von Lars und meiner Mutter und einen unten in der Küche –, wusste ich sofort, dass es Charlie sein musste, aber ich konnte nicht viel tun. Ich hatte ganz sicher nicht vor, bei meiner Mutter und Lars hereinzuplatzen, und ich konnte unmöglich rechtzeitig in der Küche sein. Gleich darauf klopfte meine Mutter bei mir an. Sie trug ein beigefarbenes kunstseidenes Nachthemd mit gerüschtem Kragen und Ärmeln, die ihr bis knapp über die Ellbogen reichten, und das Haar stand ihr wild vom Kopf ab. »Schatz, es ist Charlie …«
    Ich stand auf. »Das tut mir so leid, Mom. Ich geh unten dran.«
    In der Küche wartete ich auf das Klicken des oberenApparats und sagte: »Charlie, weißt du, wie spät es ist?«, und er sagte: »Komm doch einfach nach Hause. Bitte. Ich flehe dich an.«
    »Du kannst nicht einfach so anrufen«, sagte ich.
    »Ich werde

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