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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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sitzen sollen, dem Kaufmännischen Geschäftsführer des größten Herstellers industrieller Maschinen in Alabama. Es stellte sich heraus, dass Leon Taskets Frau die Grippe bekommen hatte und dass statt ihrer Mr. Taskets Sohn Dale mitgekommen war – jetzt oder zu jedem beliebigen Zeitpunkt nach Charlies Amtsantritt als Präsident wäre so ein Wechsel in letzter Minute wohl kaum möglich gewesen. Dale war groß, schwer gebaut und mental zurückgeblieben. Er hatte vielleicht die kognitiven Fähigkeiten eines neun- oder zehnjährigen Kindes, aber das wäre mir aus der Entfernung gar nicht aufgefallen – seine Gesichtszüge wirkten nicht ungewöhnlich, außer vielleicht, dass er freundlicher aussah als die meisten anderen Gäste. Als es Zeit wurde, sich zum Essen an die Tische zu begeben, blieben die Männer stehen und warteten, bis die Frauen sich gesetzt hatten, und Dale, der mir gerade kurz vorgestellt worden war, ließ sich auf den Platz neben mir fallen. Davor stand das Platzkärtchen seines Vaters, während Mrs. Tasket der nächste Stuhl links daneben zugedacht gewesen war. »O nein, kommt gar nicht in Frage«, sagte Leon Tasket sofort. Er war etwas kleiner als sein Sohn und eher drahtig, trug einen sauber gestutzten weißen Bart mit Schnurrbart und einen dreiteiligen Anzug. »Wenn Miss Alice Blackwell sieht, wie du isst, Junge, fürchtet sie sich ja halb zu Tode.«
    Ich schüttelte lächelnd den Kopf. »Meinetwegen kann er gern hier sitzen bleiben – natürlich nur, wenn es Ihnen recht ist.«
    »Das muss ja eine ganz tapfere Lady sein, dass sie sich nicht davor fürchtet, neben einem Schwarzbären zu sitzen, oder, Dale? Denkst du, wir sollten es darauf ankommen lassen?«
    Auf der Bühne gleich neben unserem Tisch klopfte ein Mann mit einer Stars-and-Stripes-Krawatte an das Mikrophon und sagte: »Wenn Sie jetzt bitte Ihre Plätze einnehmen wollen …« Einige Tische weiter saß Charlie zwischen dem Gouverneur und dem Parteivorsitzenden der Republikaner in Alabama.
    »Wirklich«, sagte ich, »das ist völlig in Ordnung.«
    Als die Kellner unsere Salate auftrugen, sagte Beau Phillips, der Fast-Food-Chef zu meiner Rechten: »Ihr Ehemann ist auf dem besten Weg zu gewinnen«, und gleichzeitig sagte Dale links von mir: »Meine Lieblingsschauspielerin ist Drew Barrymore, wissen Sie, wer Drew Barrymore ist?« Beide Männer hatten einen liebenswerten, unüberhörbaren Südstaatenakzent, aber nur einer von ihnen – Dale – sprach außerdem mit vollem Mund; er hatte sich mit Elan auf seinen Salat gestürzt. Zu Mr. Phillips sagte ich: »Danke sehr«, und dann wandte ich mich an Dale: »Ja, ich weiß, wer das ist.«
    »Die liberale Elite hat sich von den uramerikanischen Werten losgesagt«, fuhr Mr. Phillips fort. »Es wird Zeit, dass jemand diese aktivistischen Richter in ihre Schranken weist, bevor sie ihre Homosexuellen-Agenda durchbringen. Diese Einstellung ist vielleicht im Nordosten gefragt, aber Sie können mir glauben, dass wir hier nicht so viel davon halten.«
    »Ich bin sicher, Charlie wird sich an das halten, was uns Amerikanern allen gemeinsam ist«, entgegnete ich freundlich.
    »Haben Sie sie in
Eine Hochzeit zum Verlieben
gesehen?«, fragte Dale.
    Ich drehte mich wieder zu ihm um. »Nein, aber ich habe davon gehört.«
    »Sie ist die hübscheste und talentierteste Schauspielerin, die es gibt«, sagte Dale, und sein Vater, der gerade mit seiner anderen Sitznachbarin, der Frau des Parteivorsitzenden, gesprochen hatte, gluckste und sagte: »Wenn ich zum Wetten neigen würde, würde ich sagen, dass hier gerade von Drew Barrymore die Rede ist.«
    »Ich habe sie als kleines Mädchen in
E. T.
gesehen«, sagte ich. »Oh, und wissen Sie was, Dale? Meine Tochter und ich haben uns erst neulich einen Film mit ihr angeschaut, der
Ungeküsst
hieß. Haben Sie den auch gesehen?«
    Mr. Tasket antwortete für ihn: »Ob wir
Ungeküsst
gesehen haben? Kaum, der läuft bei uns zu Hause nur ungefähr dreimal die Woche. Ich habe diesen Film wahrscheinlich öfter gesehen als die Abendnachrichten.«
    »Mr. Coulson denkt, Josie wäre eine Schülerin, aber dannfindet er raus, dass sie bei der Zeitung arbeitet, und dann dürfen sie sich verlieben«, sagte Dale.
    »Ja, daran erinnere ich mich«, sagte ich.
    »Drew hat am zweiundzwanzigsten Februar Geburtstag«, sagte Dale. »Sie ist 1975 geboren, also ist sie fünfundzwanzig Jahre und sieben Monate und drei Tage alt, und sie ist Fisch, und ich bin Zwilling, aber ich bin älter als sie.

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