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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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unruhigen Nacht in meinem alten Bett frühstückte ich zusammen mit meiner Mutter Eier und Bacon, und obwohl meine Großmutter noch schlief, erwähnten wir unser Gespräch vom Vorabend nicht weiter. Nach dem Frühstück las ich den
Riley Citizen
, und sofort nachdem meine Mutter die Küche verlassen hatte sprang ich auf und öffnete die Schublade, in der das Telefonbuch lag. Darin fand ich seine Nummer und eine Adresse in der Parade Street. Kurze Zeit später machte ich mich zu Fuß auf den Weg; meiner Mutter sagte ich, ichhätte bei meiner Ankunft in Riley eine Bluse in einem Schaufenster entdeckt, die ich mir ansehen wollte.
    Es war Montag, und es hatte daher wenig Zweck, vor fünf Uhr zu ihm zu gehen, da er arbeiten würde, doch ich war zu aufgewühlt, um zu Hause bei meiner Mutter und Großmutter zu bleiben. Ich würde erst einmal loslaufen und herausbekommen, wo genau er wohnte, dachte ich mir. Am Nachmittag würde ich dann noch einmal hingehen und ihn hoffentlich erwischen. Andernfalls müsste ich eine weitere Nacht bleiben, was ich nur ungern tun würde; unter anderem, da ich mich unentwegt fragte, ob Charlie Blackwell anrufen würde – wenn er es tat, wollte ich zu Hause sein. (Liebeswerben vor der Weiterverbreitung des Anrufbeantworters, vor Voicemail oder E-Mail – wie kurios das heute erscheint.)
    Wann immer ich an Charlie dachte, was ich innerhalb der vergangenen vierundzwanzig Stunden ständig getan hatte, fühlte ich mich wie ein Stück Butter in der Sonne. Unser erster Kuss hatte Minuten gedauert, und schließlich waren wir auf der Couch gelandet, wo wir zunächst saßen, dann lagen, ich auf dem Rücken mit dem Kopf auf der Armlehne, er über mir. Wir hatten geredet und geredet, uns geküsst und geküsst. Sein Mund war warm und feucht, neu und zugleich vertraut gewesen, und manchmal hatten wir uns einfach nur angesehen, unsere Gesichter lächerlich nah voreinander, und uns angelächelt. Wir waren beide alt genug, um zu wissen, dass dieser Moment wohl nicht lange währen oder zu etwas Ernsthaftem heranreifen würde, aber wahrscheinlich genossen wir ihn gerade deshalb umso mehr, weil uns bewusst war, dass er vielleicht nur aus diesen wenigen Stunden bestand. Ich lag unter ihm und war glücklich.
    Kurz nach Mitternacht sagte er dann: »Ich gehe besser, bevor ich meine guten Manieren vergesse und versuche, dich zu verführen.«
    Wir waren beide vollständig angezogen, nur mein BH war irgendwann aufgegangen, und während er sprach, hatte er eine Erektion. Natürlich hätten wir miteinander schlafen können, das war zu der Zeit, 1977, durchaus üblich. In dem Schränkchenunter meinem Waschbecken lag in einem Waschbeutel ein Diaphragma (nicht das, das ich von Gladys Wycomb bekommen hatte, sondern ein neueres Modell). Es war seit Simon nicht mehr benutzt worden. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich beinahe versucht, bereits am ersten Abend mit einem Mann zu schlafen – doch damit wären zu viele Stufen des Kennenlernens auf einmal übersprungen worden. Abgesehen davon würde Dena nie wieder ein Wort mit mir sprechen.
    Ein wenig widerwillig sagte ich: »Vielleicht solltest du mir jetzt einen Gutenachtkuss geben und mich fragen, ob ich ein andermal diese Woche Zeit habe?«
    »Moment mal.« Er tat überrascht. »Willst du damit etwa sagen, dass du zwischen all die Vorbereitungen für die Bibliothek noch eine Verabredung schieben kannst?«
    »Das ist nicht gerade charmant.« Ich drehte den Kopf zur Seite und betrachtete ihn aus den Augenwinkeln. »Ich wollte schon deine erste Einladung annehmen, aber ich dachte, es wäre besser, es nicht zu tun, wegen Dena.«
    »Da bin ich aber froh, dass du es dir noch mal überlegt hast.« Als ich mich ihm wieder zuwandte, lächelte er verschmitzt, und dieser Anblick machte Denas Wut beinahe vergessen.
    Aber er sprach keine Einladung mehr aus, bevor er ging, und kaum war er gegangen, bereute ich es. Ich dachte gar nicht bewusst darüber nach, dass ich Charlie Blackwell mochte, es war vielmehr wie mit dem Haus in der McKinley Street, das ich im Kopf bereits eingerichtet hatte, bevor ich mir überhaupt darüber klar gewesen war, dass ich es haben wollte. Doch wie, dachte ich nun, konnte ich mir ein Haus kaufen, während meine Mutter in dieser prekären finanziellen Lage steckte? Sollte ich mein Geld nicht besser auf dem Sparbuch lassen, für den Fall, dass die ganze Sache schlimmer war als angenommen?
    Und was war mit Dena? Während ich den Riley River hinter mir ließ und in

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