Die Frau des Praesidenten - Roman
aufgegeben. »Ich freu mich, dass du’s versuchen willst«, sagte ich. »Aber ich fürchte, es könnte nicht klappen, und ich will diesen wirklich schönen Abend nicht ruinieren.«
»Du hast offensichtlich keine Ahnung, wie talentiert ich auf diesem Gebiet bin.«
Ich drehte den Kopf zur Seite, und wir sahen uns in die Augen. »Nicht heute Nacht.«
Er runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht, wie man es ausschlagen kann, einen …«
»Charlie, ich habe keine Lust«, sagte ich und konnte eine gewisse Schärfe in meiner Stimme nicht verhindern.
Keiner von uns sagte etwas, bis er vorsichtig begann: »Lust darauf, weitere Informationen zu hören, die ich für dein Dossier gesammelt habe?«
Wir hatten unter einem Bann gestanden, der nun gebrochen war. Ich wollte nicht unfreundlich sein, aber ich wollte auch nicht so tun, als sei alles in Ordnung. Daher sagte ich: »Später vielleicht.«
»Keine Sorge, es ist alles durchweg positiv. Ich habe das Dossier im Laufe des Abends auf den neuesten Stand gebracht«, sagte er mit warmer Stimme. Er klang versöhnlich. »Ich fang ganz von vorn an: Alice Marie Lindgren, geboren am 6. April 1946. Geliebte einzige Tochter von Phillip und Dorothy, Enkelin von … hmm … Würdest du mir auf die Sprünge helfen?«
»Emilie«, sagte ich und achtete darauf, ebenfalls freundlicherzu klingen – wenn er sich Mühe gab, konnte ich es auch. Außerdem war ich überrascht und fühlte mich geschmeichelt, ihn diese Fakten aufsagen zu hören. Ich hatte sie ihm vergangenen Samstag, während wir stundenlang in meinem Wohnzimmer auf der Couch gelegen hatten, zwar verraten, doch ich hatte nicht angenommen, dass er sie sich gemerkt hatte, einerseits, da er betrunken gewesen war, andererseits, da wir einfach nur geplaudert hatten.
»Vorbildliche Schülerin und rundherum braves Mädchen«, fuhr er fort. »Ganz nebenbei, welche Konfession hast du?«
»Meine Familie ist evangelisch, aber in die Kirche gehe ich nur, wenn ich bei ihnen bin.«
»Du gehst nicht in die Kirche? Mon dieu, ich habe mich von einer Atheistin flachlegen lassen!«
»Oh, bitte«, sagte ich, und Charlie schmiegte sich an mich.
»Weiter geht’s. 1968 Abschluss an der University of Wisconsin – summa cum laude?«
Ich schüttelte den Kopf. »Magna, aber angesichts der Tatsache, dass du derjenige bist, der in Princeton war, verstehe ich nicht, warum du mich für so klug hältst.«
Er grinste. »Sagen wir mal so, ich war auf dem Campus nicht unbedingt wegen meiner vielen Einsen bekannt. Glücklicherweise geht es hier um dich, nicht um mich. Nach dem College hast du Drittklässler unterrichtet, an der … du musst mir noch mal helfen.«
»Harrison Elementary«, sprang ich ein. »Aber ich bezweifle, dass ich dir das erzählt habe, daher gibt es dafür keinen Punktabzug.«
»Du liest regelmäßig
Der freundliche Baum
und weinst ebenso regelmäßig dabei. Nein, das war nur ein Scherz – ich habe mir das Buch angesehen und kann verstehen, warum es dir die Geschichte so angetan hat. Und nicht zu viele schwierige Wörter für einen Hohlkopf wie mich.« Er hatte in den drei Tagen seit unserer letzten Verabredung
Der freundliche Baum
aufgetrieben? Erstaunlich. (Später stellte sich heraus, dass er das Buch gar nicht gekauft, sondern in einem Rutsch, stehend im Buchladen, durchgelesen hatte – aber immerhin.)
»Dann für den Magister zurück an die University of Wisconsin«, sagte er gerade, »dann Theodora Liess Elementary, wo sich unsere Heldin bis heute befindet, die Kinder während des Schuljahrs mit ihrem Charme und ihrem guten Aussehen blendet und in den Sommerferien große, knallbunte Tiere aus Pappkarton bastelt.«
»Aus Pappmaché, aber alles in allem war das sehr beeindruckend.«
»Moment, da ist noch ein Eintrag in dem Dossier.« Er schielte auf seine Handfläche und tat, als würde er lesen. »›Momentan umworben von einem strammen jungen Politiker. Weiß es noch nicht, ist aber gerade dabei, sich unsterblich zu verlieben.‹«
»Oh, tatsächlich? Steht das dort?« Ich schnappte nach seiner Hand, und er zog sie weg.
»Das sind vertrauliche Dokumente, Miss Lindgren, und Sie haben keine Genehmigung.« Er wandte sich mir zu und gab mir einen Kuss auf den Mund, der zunächst der Ablenkung diente, dem wir uns dann aber ganz hingaben und all unsere Aufmerksamkeit auf das Vorwärtsdrängen und Zurückweichen unserer Münder richteten.
Doch Charlie irrte sich, denn ich wusste schon, dass ich soeben dabei war, mich zu
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