Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
dann nicht auch Albert geschafft haben?« Ragnhilds Herz klopfte wie wild, und sie begann am ganzen Körper zu zittern. Sie musste mit diesem Heyno sprechen, und zwar bald!
Ella war noch immer nicht am Ende ihrer Erzählung. »Noch ist nicht entschieden, ob der Forderung der Herren entsprochen wird und man einen Boten nach Friesland schicken wird. Der Rat war sich bei der ersten Sitzung nicht einig. Die Entscheidung für oder gegen die Reise nach Friesland sollte nach einem Besuch beim Domdekan Sifridus fallen. Gerade in diesem Moment ist Conrad von Holdenstede zusammen mit Bürgermeister Bertram Esich und dem Ratsmann Ecbert von Harn beim Domdekan, um eine Einigung zu erzielen.«
»Das heißt, heute entscheidet sich, ob ich alsbald die Frau eines anderen werde oder nicht«, schlussfolgerte Ragnhild richtig.
Wenig später verließ Ella das Haus ebenso unauffällig, wie sie gekommen war. Ragnhild rannte in der Küche auf und ab. Immer wieder schickte sie Stoßgebete gen Himmel, in denen sie um das Einsetzen eines Boten flehte. Draußen war es bereits stockdunkel, und Conrad war noch immer nicht zurück. Fast glaubte Ragnhild, vor lauter Neugier und Ungewissheit wahnsinnig werden zu müssen. Sie hätte nicht sagen können, was genau sie zu tun gedachte, sobald Conrad nach Hause kommen würde, und dennoch wartete sie begierig auf seine Rückkehr. Natürlich war es unmöglich, ihn auf die Ratssitzung anzusprechen, ohne dabei die helfenden Frauen zu verraten. Sie konnte nur darauf hoffen, dass er ihr freiwillig von den Entscheidungen über ihr Schicksal berichtete, wenn sie ihm zufällig in der Diele über den Weg lief. Irgendwann musste er es schließlich tun.
»Warum ist er bloß noch nicht zurück, Hilda? Wie lange will er mich denn noch im Unklaren lassen?« Ungeduldig knabberte Ragnhild an ihren Fingernägeln.
Hilda hatten die Neuigkeiten nicht weniger aufgewühlt, doch sie versuchte, sich mit Küchenarbeit abzulenken. Zeit ihres Lebens war sie eine Magd gewesen, und der Gedanke, sich in die Machenschaften der Männer einzumischen, schien ihr schlichtweg unmöglich. »Du musst abwarten, Kind. Er wird dir schon noch sagen, was mit dir geschehen wird«, erwiderte sie mit dem Blick auf das für den nächsten Tag kochende Suppengemüse.
Ragnhild schaute skeptisch zu Hilda hinüber. Auch wenn sie sich eine andere Reaktion gewünscht hätte, beneidete sie ihre Freundin um die Fähigkeit, alles stets so zu nehmen, wie es eben kam. Sie selbst hatte diese Ruhe vor langer Zeit auch besessen, doch heute war Ragnhild alles andere als gelassen. Nachdem der Kummer sie in den letzten Wochen fast in die Knie gezwungen hatte, gab es heute endlich wieder Hoffnung, doch sie konnte absolut nichts tun, als in dieser verdammten Küche auszuharren. Nein, sie war nicht bereit, ihrem Schicksal tatenlos entgegenzusehen. Ragnhild spürte regelrecht, wie das Leben in ihre Glieder zurückkehrte. Seit einer gefühlten Ewigkeit hatte sie sich Conrads Willen gebeugt; niemals hatte sie aufbegehrt; heute jedoch wallte das plötzliche Gefühl in ihr hoch, an dieser weiblichen Unterwürfigkeit fast ersticken zu müssen. Entschlossen sagte sie: »Ich werde morgen zu diesem Heyno gehen.«
Hilda legte die Hände in den Schoß und blickte zu Ragnhild auf. »Du willst heimlich zu einem fremden Mann gehen? Bist du von Sinnen? Was, meinst du, wird passieren, wenn das herauskommt? Und was, meinst du, wird Vater Lambert dann mit dir machen? Er wird dich von deinen Knien gar nicht mehr hochkommen lassen! Hast du schon vergessen, was er immer predigt?«
Nach einer kurzen Pause bemerkte Hilda, dass ihr Tadel nicht die gewünschte Wirkung erzielte. Noch immer schaute Ragnhild fest entschlossen – fast trotzig –, deshalb änderte sie ihre Taktik und sagte nun etwas mütterlicher: »Sieh dich doch an, Kind. Du bist ganz aufgewühlt. Ich kann dich ja verstehen, aber es nützt doch nichts. Es wäre besser für dich, du würdest dich ablenken, anstatt hier auf und ab zu wandern. Setz dich zu mir.« Hilda machte eine einladende Geste.
Auch darauf reagierte Ragnhild nicht. Ihr bissiger Blick irritierte Hilda zunehmend. In einem noch ruhigeren Ton – fast schon einem Flüstern – fügte sie hinzu: »Verstehe doch. Ich habe Angst, dass du dich in Gefahr begibst. Wir Frauen mussten uns schon immer dem Willen der Männer beugen, und so wird es immer sein. Du wirst nichts daran ändern können, Kleines.«
Unvermittelt drehte Ragnhild sich zu Hilda um. Ihre
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