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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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ging.
    Erst nach zwei Stunden verließ Ragnhild die Zwillinge. Tatsächlich hatte sich in den letzten Stunden eine unerwartete Ruhe in ihr ausgebreitet. Es tat gut zu wissen, was einen erwartete. Nun fühlte sie sich bereit, mit ihren Freundinnen Hilda und Marga über das Erfahrene zu sprechen.
    Zu diesem Zeitpunkt hatte Ragnhild noch keine Ahnung, was an diesem fast schon zur Neige gehenden Tag noch alles geschehen würde.

15
    Ella musste den Weg vom Nachbarhaus der von Horborgs bis zum Haus der von Holdenstedes gerannt sein. Ihre Wangen glühten, und ihr Atem ging so schnell, dass sie zunächst gar nicht zu Wort kam. Das Dämmerlicht des Abends war ihr zugutegekommen. Ohne anzuklopfen, hatte sie sich ebenso unbemerkt und heimlich wie zuvor Agatha in die Küche der von Holdenstedes geschlichen und stand nun vor Hilda, Marga und Ragnhild, die sie fragend anblickten. Manches Mal erwies es sich eben doch als Vorteil, eine Magd zu sein, dachte Ella noch. Schließlich waren es die Mägde, die es besser als alle anderen verstanden, sich unsichtbar zu machen.
    »Schleicht sich an diesem Tage eigentlich jeder wie ein Dieb ins Haus, anstatt vorher anzuklopfen?«, fragte Ragnhild verwirrt, als sie das Mädchen hereinkommen sah.
    »Was meinst du damit?«, fragte Hilda erstaunt, die nichts von dem Besuch der Schneidersfrau wusste.
    Zweifelsohne musste die Magd etwas Wichtiges auf dem Herzen haben, wenn sie sich so heimlich verhielt, doch was sie kurz darauf erzählte, ließ den Herzschlag der Frauen vor Aufregung fast aussetzen.
    »Ich … ich habe …«, japste Ella atemlos und legte sich dabei die Hand auf die Brust.
    »Nun setz dich erst einmal und dann erzähle in Ruhe«, befahl Hilda der Magd und führte sie zu einer hölzernen Bank.
    Ella gehorchte und setzte sich. Mit einem schuldbewussten Blick in Hildas Richtung gestand sie zunächst: »Ich habe an der Tür meines Herrn gelauscht.«
    Hilda jedoch schien nicht im Geringsten daran interessiert, Ella wegen ungebührlichen Betragens zu tadeln. Ganz im Gegenteil. »Was hast du dabei herausgefunden?«, fragte sie in der Gewissheit, es müsse etwas überaus Bedeutsames sein. »Sprich endlich, Ella!« Hilda fasste die Freundin ihrer Tochter am Arm und rüttelte sie sanft.
    Die junge Magd schaute nun zu Ragnhild und fing an zu erzählen. »Es hat einen Disput auf der letzten Ratssitzung gegeben. Wie es aussieht, sind einige der Ratsherren doch nicht vom Tod Eures Gemahls überzeugt. Sie forderten, dass ein Bote an die friesische Küste ausgesandt wird. Dieser Bote soll am Ort des Schiffsunglücks nach Eurem Gemahl suchen, um seinen Tod und somit Eure Witwenschaft eindeutig zu beweisen.«
    Ragnhild starrte Ella an, als hätte sie in der Sprache der Mauren zu ihr gesprochen. Sie wusste wirklich nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. »Aber … warum … auf einmal?« Ihre Gedanken überschlugen sich. Was hatte das zu bedeuten? Gab es etwa tatsächlich noch Anzeichen dafür, dass Albert noch lebte?
    Da Ragnhild kaum ein vernünftiges Wort herausbekam, war es Hilda, die jene Frage stellte, die ihnen allen auf der Zunge lag. »Haben die Herren etwas über die anstehende Hochzeit gesagt?«
    »Ja. Die Dame Ragnhild soll erst dann erneut heiraten dürfen, wenn endgültig geklärt ist, ob es nicht noch weitere Überlebende gibt.«
    »Weitere was … ?«, schoss es gleichzeitig aus Hildas und Ragnhilds Mund. Sofort wollten die Frauen Ella mit Fragen bestürmen, doch das war nicht nötig.
    Die junge Magd hob rasch die Hände und bedeutete ihnen, dass sie mit ihren Ausführungen noch nicht fertig war. Dann fasste sie Ragnhild über den Holztisch bei den Händen und erzählte von dem überraschenden Erscheinen Heynos. »Ich hörte, wie mein Herr davon erzählte, dass der Smutje des untergegangenen Handelsschiffs überlebt hat. Er ist wieder in Hamburg, und er hat bereits vor dem Rat gesprochen.«
    Gerade noch rechtzeitig konnte Ragnhild einen leisen Schrei mit den Händen ersticken. Sie sprang von ihrer Bank auf, nur um einen Moment später von den Frauen wieder daraufgezerrt zu werden. Sie mussten sich still verhalten, wenn sie nicht wollten, dass Luburgis Ella bemerkte und Verdacht schöpfte. Ragnhild wollte stark sein, aber ihre Gefühle übermannten sie. Tränen rannen ihr über das Gesicht, doch ihre Stimme klang fest und klar. »Einer hat überlebt! Einer hat das Unglück tatsächlich überlebt! Und wenn er es geschafft hat, sich von der sinkenden Resens zu retten, warum sollte es

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