Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Ritter stimmten ihrem Sprecher lauthals zu und kamen näher an Millie heran.
Ein Glatzköpfiger packte den anderen Zügel der Stute und erklärte mit schwerer Zunge: »Wir fordern Wegezoll von dir, oder du gibst uns deinen Mantel und den Gaul.«
Millie wurde immer unruhiger und tänzelte ängstlich auf der Stelle. Wie Thiderich ja bereits wusste, mochte es die Stute gar nicht, so eng am Zügel gehalten zu werden. Sie versuchte rückwärtszugehen, doch auch da standen bereits einige der baumlangen Kerle. Es war nun eindeutig; er hatte ein Problem! Gewiss würden sie ihm seinen kompletten Geldbeutel abnehmen, wenn er jetzt tatsächlich ein paar Münzen herausholte, um den geforderten Wegezoll zu zahlen. Doch würde er es nicht tun, dann konnte es auch sein, dass die besoffenen Hünen ihn im nächsten Augenblick in Stücke rissen. Er war allein, und sie waren zu siebt; und wer weiß, wie viele von ihnen noch in der Schänke saßen. Er musste sich also irgendwie geschickter anstellen, wenn er heil aus dieser Lage entkommen wollte. Nur einen kurzen Moment lang besann er sich seiner gaunerhaften Vergangenheit und schmiedete einen Plan. Bevor er den Mund öffnete, flehte er stumm alle Heiligen an, dass er auch gelingen möge. So locker, wie es ihm noch über die Lippen ging, sprach er: »Männer, was wollt Ihr denn schon mit einem so störrischen dürren Gaul? Auch mein Mantel wird Euch nicht wärmen, so nass wie er ist. Aber Ihr seht durstig aus. Was haltet Ihr davon, wenn ich dem Schankwirt sage, er soll ein ordentliches Fass Bier aufmachen? Tüchtige Kerle wie Ihr sollten keine trockenen Kehlen haben, richtig, Männer?«
Ein besonders Streitlustiger antwortete grob: »Bist du blind, Bursche, wir haben Krüge voller Met in den Fäusten«, und hob seinen Arm mit dem Krug in seiner Hand. An seine Kameraden gerichtet, hetzte er: »Los, durchsucht ihn und nehmt ihm seine Münzen ab!«
Bevor sie ihn ergreifen konnten, setzte Thiderich nach: »Das nennt Ihr Met?« Er musste gegen das Zittern in seiner Stimme ankämpfen. »Ich nenne das eine stinkende Pissbrühe. Ich sage, der Wirt gibt Euch Edelleuten den letzten Fusel und spart sich sein gutes Bier für seine eigene Wampe auf. Wollt Ihr Euch das etwa gefallen lassen?«
Die gerade auf ihn zugestürzten Ritter hielten inne und schauten in ihre Krüge. Thiderich betete, dass seine Hetzparolen gegen den Wirt die streitbaren Männer von ihm selbst ablenkten. Einer der Ritter hielt mit einem Mal tatsächlich die Nase in seinen Krug und schüttete daraufhin den Inhalt mit einem angeekelten Ausdruck im Gesicht auf den Boden. »Er hat recht; es stinkt wie Kuhscheiße. Von dem Gesöff trinke ich keinen Schluck mehr. Der Hundsfott von einem Wirt will uns betrügen. Den schnapp ich mir jetzt.«
Unendlich erleichtert sah Thiderich, wie andere es dem Ritter nachtaten und ihr Bier samt Krug auf den Boden warfen. Das Geschepper war ohrenbetäubend und somit wohl auch noch in der Schänke zu hören.
Hochroten Kopfes riss der Wirt die Tür auf und reckte wütend die Fäuste in die Höhe. Den dicken Bauch voranschiebend, stürmte er auf die Ritter zu, die seine Krüge nacheinander zerschmetterten. Erst kurz vor der Gruppe, die um Thiderich herumstand, schien er zu bemerken, wie feindselig die Ritter ihn anstarrten.
»Du wagst es, solch ein Gesöff an Edelleute auszuschenken und es auch noch Bier zu nennen?«
Der völlig erstaunte Wirt begriff nun, dass er in Schwierigkeiten war. Seine Fäuste öffneten sich und machten nun beschwichtigende Gesten. »Freunde, was wollt Ihr damit sagen? Ihr bekommt gutes Bier von mir. Noch nie hat sich jemand beschwert.«
Nun war es wieder der Kahlköpfige, der ihm entgegendonnerte: »Willst du uns etwa mit dem Bauernpack vergleichen, das du sonst bedienst?«
Mehrere Stimmen wurden laut. »Du wagst es …«; »Schenke sofort deinen besten Tropfen aus …«; »Wir sind Herren von Stand, du Hurensohn!«
Fast hatte Thiderich Mitleid mit dem Mann, den er mit seinen Worten in diese missliche Lage getrieben hatte. Doch die Erleichterung darüber, seinen Kopf gerade noch aus der Schlinge gezogen zu haben, war größer. Nun musste er nur noch den richtigen Moment abwarten, um sich heimlich aus dem Staub machen zu können.
Der Wirt hatte keine Wahl. Wenn ihm sein Leben lieb war, musste er den Rittern geben, wonach es sie dürstete. Schon von zweien an beiden Seiten gepackt, schleppten sie den fetten Mann in seine eigene Schenke. Jeder Schritt wurde von dem
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