Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
die sich um die Wehrkirche scharten, waren eher kühl als höflich, und so war auch dieser Abschnitt ihrer Reise ein Misserfolg.
Der Missionar merkte schnell, dass sein Begleiter ein unangenehmer Reisegefährte war. Ständig beklagte er sich; über das schlechte Wetter, die Kälte, die ungastliche Umgebung und nun auch noch über sein Pferd. Soeben hatte es eines seiner Hufeisen eingebüßt und lahmte seither so stark, dass Bodo sogar absteigen und es führen musste. In regelmäßigen Abständen schimpfte er lautstark vor sich hin, und Vater Nicolaus hoffte inständig, dass sie in Tossens, ihrem nächsten Ziel, einen fähigen Schmied auftun würden. Wenigstens sollte dem Griesgram nun, da er zu Fuß gehen musste, nicht mehr kalt sein, dachte der Geistliche spöttisch.
Nachdem sie in Tossens zunächst den Schmied, dann die Schenke, dann die Kirche und schließlich einzelne Bewohner des Ortes aufgesucht hatten, um sich nach dem Schiffsunglück zu erkundigen, stellte sich auch hier heraus, dass es so gut wie nichts Neues zu erfahren gab.
Die Menschen des Küstenortes hatten zwar ebenso von dem Unglück erfahren, denn sogar hier war in der Sturmnacht einiges an Strandgut angespült worden – möglicherweise von der Resens –, doch niemand wollte etwas über etwaige Überlebende wissen.
Die beiden Boten waren nach zwei Tagen bereit zur Weiterreise. Ihr nächstes Ziel sollte der Kirchort Bockhorn sein, welcher auf halbem Wege zum Kloster Rastede lag. Hier lebte ein Vetter von Vater Nicolaus, und sie erhofften sich, nach den erfolglosen Erkundigungen der bisherigen Reise spätestens dort ein wenig mehr zu erfahren. Der Weg zum Kloster Rastede war weit, und sie würden, die Rast in Bockhorn eingerechnet, mindestens drei Tage dorthin brauchen.
Die Aussicht auf diesen Ritt mit seinem sauertöpfischen Begleiter stimmte Vater Nicolaus nicht gerade fröhlich, doch die Hoffnung auf gutes Essen und eine feste Unterkunft am Ende der drei Tage trieb ihn an.
Irgendwann nachdem es hell geworden war, hatte Thiderich mit Erstaunen festgestellt, dass die gestern noch so breite Weser sich mittlerweile nur noch als kleines Flüsschen zeigte. Er brauchte eine Weile, um zu begreifen, dass er vom Weg abgekommen war. Durch das beständige Rauschen neben ihm war er davon ausgegangen, stets dem richtigen Weg gefolgt zu sein, doch anscheinend hatte ein kleiner Nebenarm ihn in die Irre geführt. Missmutig hatte er also seine Stute gewendet, um wieder zurück zu dem Punkt zu reiten, an dem sie falsch abgebogen waren. Erst zu ziemlich später Stunde fand er die besagte Stelle. Verärgert darüber, abermals einen Tag verschenkt zu haben, trieb er Millie zu einem schnelleren Gang an, um das letzte Tageslicht auszunutzen. Als es bereits dämmerte, erreichten sie einen kleinen Ort. Normalerweise hätte Thiderich nach den jüngsten Ereignissen auch hierum eher einen Bogen geschlagen und lieber am Fluss übernachtet, doch erstens würde es sicher nicht in jedem Dorf eine Schar Ritter geben, und zweitens entdeckte er eine Kirche. Augenblicklich hallten die Worte Heynos in seinen Ohren wider. Fast konnte er tatsächlich die Stimme seines Oheims hören, die ihm dazu riet, sich als Pilger auf Abwegen auf dem Weg zum Kölner Dom zu den Reliquien der Heiligen Drei Könige auszugeben. Auch wenn die Gastfreundschaft ohnehin zu den christlichen Pflichten gehörte, würden ihm so auch das Pilgerrecht und Hospizrecht zugutekommen. Fromme Christenmenschen, die nahe einer Kirche wohnten, durften ihm die Bitte nach einer Bleibe also nicht verwehren. Auch Gott, dessen war sich Thiderich sicher, würde diese Lüge sicher verzeihen, da es um eine gute Sache ging.
Hier in Sandstedt, wie der Ort laut einer Bauersfrau hieß, die er am Fluss traf, wartete also sein Obdach für die Nacht. Erleichtert über die Aussicht, nach zwei Tagen ohne Schlaf möglicherweise wieder auf eine trockene Bettstatt zu treffen, zog er die erschöpfte Millie am Zügel und steuerte direkt auf die Kirche des Dörfchens zu.
Die Menschen in Sandstedt waren weit freundlicher als die hinterhältigen Prahmführer oder die Ritter, die Thiderich bisher auf seiner Reise angetroffen hatte. Obwohl er nicht alle von ihnen verstand, da manche die Sprache der Friesen verwendeten, gab es doch einige, die auch seiner Sprache mächtig waren. Gleich nach der Ankunft im Dorf wurde Thiderich von dem freundlichen Dorfpfarrer empfangen, der ihn gottlob verstand. Nachdem er die Geschichte des verirrten
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