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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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klapperdünnen Pferd. Schon auf Millie sitzend, sprach Thiderich noch Worte des Dankes, und da er nun wusste, dass der Bauer ihn verstand, verwendete er dazu seine eigene Sprache. Zwar bekam Thiderich keine Antwort von dem Mann mit dem wettergegerbten Gesicht, doch sein Lächeln war vielsagend.
    Er verließ den Hof, ließ die Kirche hinter sich und steuerte in die Richtung, die ihm von dem blonden Jungen gewiesen worden war. Seine Gedanken kreisten bereits um die vor ihm liegenden Wege, als der Pfarrer und Walther plötzlich vor ihm standen. Auf der Schulter des Jungen ruhte die Hand des Geistlichen, und seine rechte Faust umklammerte einen Beutel. Feierlich sprach der Kirchenmann: »Ich bitte Euch, nehmt mein Mündel Walther mit auf Eure Reise. Er ist so weit und sollte sich auf Pilgerfahrt begeben, wie es ein jeder Christenmensch einmal im Leben tun sollte.«
    Thiderich verstand erst nicht. Der blonde Junge war das Mündel des Geistlichen? Er sollte Walther mitnehmen? Wohin? Doch dann fiel ihm plötzlich ein, dass er sich ja als Pilger ausgegeben hatte. Nein, was sollte er denn jetzt nur tun? Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er konnte nach der empfangenen Gastfreundschaft der Sandstedter ja nun schlecht sagen, dass er sie belogen hatte. Es war wahrlich eine groteske Lage. Vorsichtig antwortete Thiderich: »Vater, ich weiß nicht, ob ich dafür Sorge tragen kann, dass Eurem Mündel nichts geschieht. Außerdem bin ich zu Pferd und Walther zu Fuß …«
    »Eure Sorge um mein Wohlergehen ehrt Euch, doch ich bin ein schneller Läufer«, gab Walther nun ernst zurück, ohne den stechenden Blick von Thiderichs Augen zu nehmen. Genauso ernst setzte er nach: »Ich werde Euch sicher nicht zur Last fallen, Herr. Überdies ist es nicht unüblich, einen Glaubensbruder bei seiner Pilgerreise zu unterstützen. Sicher wird der Herr es mit Wohlwollen betrachten.«
    Thiderich fühlte sich mehr und mehr von Walther in die Ecke gedrängt. Er spürte die bohrenden Blicke der beiden auf sich ruhen. Ein unangenehmes Schweigen trat ein.
    Wenn er jetzt noch länger zögerte, dann flog seine Lüge womöglich noch auf. Was hätte er für einen Grund, den Jungen nicht mitzunehmen? Verdammt, dachte Thiderich. Was blieb ihm schon für eine Wahl? Gerade öffnete er den Mund, um seine Antwort zu bekunden, als Walther vorschlug: »Lasst uns zu zweit beten. Sicher wird Gott uns die Antwort geben, die wir brauchen.«
    Thiderich konnte es nicht fassen. Warum hatte er nicht im gestreckten Galopp das Dorf verlassen? Nun sah er sich wieder vom Pferd absteigen, um ein Gebet mit dem blonden Pfarrersjungen zu sprechen.
    Der Geistliche kam übereifrig nickend auf Millie zu, um sie so lange für Thiderich zu halten. Aufmunternd klopfte er ihm auf die Schulter und sagte: »Im Gebet findet man immer eine Antwort. Gott hat Euch Walther als Begleitung geschickt. Wehrt Euch nicht dagegen, mein Freund.«
    Thiderich wollte nicht unhöflich sein und formte seine zusammengepressten Lippen zu einem verkrampften Lächeln. Innerlich allerdings hätte er in den ledernen Zügel seiner Stute beißen können, die schon wieder unruhig tänzelte. »Bitte, nicht so fest halten. Mein Pferd ist etwas eigen und mag das nicht.« Thiderich ließ den verdutzten Pfarrer einfach stehen und folgte dem einladend lächelnden Walther ein paar Schritte. Kaum waren sie außer Hörweite, veränderte sich der nette Tonfall des Jungen.
    »Ich kenne Euer Geheimnis. Die anderen dummen Bauern hier und vielleicht auch den leichtgläubigen Pfarrer könnt Ihr vielleicht täuschen, aber nicht mich. Niemals seid Ihr ein Pilger. Wenn Ihr nicht wollt, dass Eure kleine Lüge auffliegt, dann nehmt mich mit.«
    Thiderich war wie vor den Kopf gestoßen. Einen kurzen Moment dachte er daran, alles abzustreiten, doch er spürte, dass Walther einen hellen Kopf hatte und es sinnlos war zu leugnen. »Warum willst du mitkommen, wenn du doch schon jetzt weißt, dass ich keine heilige Stätte ansteuern werde?«
    Walther blieb stehen und schaute Thiderich in die Augen. »Seht Euch doch um. Dies hier ist das Leben, das auf mich wartet. Ich bin nicht wie die Bauern hier. Ich will etwas erleben und nicht bis an mein Ende auf einem Bauernhof schuften oder in der Kirche des Pfarrers verkommen. Nehmt mich mit, ich bitte Euch. Egal, wohin es geht, ich scheue keine Gefahr.«
    Thiderich ließ entwaffnet den Kopf hängen und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er wusste nicht, wie er sich entscheiden sollte.
    Wieder fing

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