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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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verlassen und waren dem Wind und dem Wetter ausgeliefert.
    Mühsam stieg Ragnhild die Treppe hinauf. Nach ein paar Stufen musste sie jedoch stehen bleiben, um durchzuatmen; erst dann konnte sie weitergehen. Auch wenn eine Geburt mühsam und schmerzhaft war, sehnte sie sich diesen Moment mittlerweile regelrecht herbei. Sie fühlte sich aufgebläht und unbeweglich. Jede Regung trieb ihr den Schweiß auf die Stirn. Oben angekommen, musste sie zunächst einmal innehalten. Dann erst ging sie schwankend auf den Handarbeitsraum zu, wo sie ihre Schwägerin vermutete, doch auf der Höhe des Kontors vernahm sie plötzlich die verdrießlichen Stimmen von Luburgis und Conrad. Eigentlich sah es Ragnhild nicht ähnlich, fremde Unterredungen zu belauschen, schon gar nicht die von Luburgis und Conrad. Doch die Laute aus dem Kontor klangen anders als sonst, irgendwie aufgebracht, was Ragnhild neugierig machte. Sie blieb stehen, legte ein Ohr an die schwere Holztür und horchte ungeniert.
    »Anstatt dich bei mir über Alberts Göre zu beschweren, solltest du lieber zusehen, dass du selbst schwanger wirst«, knurrte Conrad.
    Ragnhild hörte, wie Luburgis nach Luft schnappte.
    »Wie kannst du so etwas sagen? Ich wünsche mir schon so lange ein Kind. Täglich bete ich zu unserem Herrgott, dass er meinen leeren Leib endlich mit einem füllen möge«, entgegnete Luburgis verzweifelt.
    In diesem Moment tat sie Ragnhild fast ein wenig leid. Aber nur fast! Wie von selbst umfasste sie schützend ihren Bauch. Tatsächlich wurde sie gerade Zeugin eines handfesten Ehestreits; und sogar Runa wurde genannt. Nun konnte sie das Lauschen erst recht nicht mehr unterlassen.
    Im Inneren des Kontors war die Luft zum Zerschneiden dick. Conrad war furchtbar gereizt und fragte sich nicht zum ersten Mal, warum Gott ihn mit einem solchen Weib gestraft hatte. Die Schwangerschaft Ragnhilds, zusammen mit der ausbleibenden Schwangerschaft seiner eigenen Frau, stimmte ihn von Tag zu Tag missmutiger. Zornig schleuderte er ihr entgegen: »Was wagst du es, mich deshalb überhaupt zu stören, Weib? Ich habe zu tun. Kümmere dich gefälligst allein um den Haushalt und den Weiberkram!«
    Das war deutlich. Luburgis wollte gehen. Sie kannte ihren Mann und wusste, dass sie ihm in schlechter Stimmung lieber aus dem Weg gehen sollte. Doch dieser war jetzt voll in Fahrt. Die nächsten Worte donnerte er nur so heraus und haute dabei vor Wut mit der Faust auf den Tisch.
    »Mach dir besser bewusst, wie gut es dir in den letzten Jahren ergangen ist, anstatt dich fortwährend zu beschweren, du vertrocknetes Weib. All das hier«, bedeutete Conrad ihr mit einer aggressiven Armbewegung, »wäre ohne mein Geschick diesen Winter sehr wahrscheinlich an Albert und seine dänische Hure gefallen. Mir scheint, dir ist nicht klar, dass es, wenn es nach …«
    »Still, mein Gemahl. Um Himmels willen, willst du etwa, dass die ganze Nachbarschaft auf diesem Wege davon erfährt?«, unterbrach Luburgis ihn erregt.
    Ragnhild horchte auf. Ihre Aufregung wuchs, und die Angst, erwischt zu werden, ließ sie am ganzen Körper zittern. Was konnte Conrad damit gemeint haben? Was wäre wann an Albert und sie gefallen? Und warum meint er, noch mal Glück gehabt zu haben? Was hatte der letzte Satz zu bedeuten? Wenn es nach … was ? Warum musste Luburgis auch unbedingt jetzt dazwischenplappern?
    Conrad schien den Rat seiner Frau zu befolgen, denn er sprach jetzt so leise, dass Ragnhild so gut wie nichts mehr verstand. Bloß noch abgehackte Wortfetzen drangen durch das dicke, eisenbeschlagene Holz, an dem sie lehnte.
    »Albert … Sterbebett … Geburt …«
    Ragnhild konnte sich einfach keinen Reim darauf machen, doch eines war klar: Die beiden hatten ein Geheimnis, und dieses Geheimnis betraf Albert und sie selbst.
    Im Inneren des Kontors war es kurzzeitig still geworden. Conrad atmete durch und beruhigte sich ein wenig. Seine Frau hatte recht, er musste vorsichtiger sein, wenn er nicht wollte, dass seine Ränke jemals ans Tageslicht kamen. Doch die bloße Gegenwart seines Weibes reichte an manchen Tagen aus, um ihn zu reizen. Mit einem unterdrückten Brummen wandte er sich von ihr ab und fuhr sich mit der Hand über den kahlen Schädel. Er war ihrer so überdrüssig, dass er sie an manchen Tagen am liebsten in ein Kloster geschickt hätte. Barsch befahl er ihr: »Bring mir Wein«, und wedelte sie unfreundlich mit der Hand hinaus.
    Luburgis drehte sich ohne ein weiteres Wort folgsam in Richtung Ausgang. Sie

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