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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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später begann Runa bitterlich zu weinen.
    Mit zwei langen und nun doch erstaunlich flinken Schritten war Ragnhild bei ihrer Tochter. »Was fällt dir ein, mein Kind zu schlagen?«, fuhr sie die Schwägerin an.
    »Willst du dich etwa gegen mich auflehnen?«, fauchte Luburgis zurück. »Deine Brut hat keinen Respekt. Solange ihr unter meinem Dach lebt, habt ihr euch gefälligst nach meinen und Conrads Anweisungen zu richten.«
    Ragnhild, die Runa mittlerweile auf den Arm genommen hatte, um sie zu trösten, entgegnete: »Ich bin eine verheiratete Frau. Es ist die Aufgabe meines Mannes, das Kind zu züchtigen.«
    Ein ungläubiger Laut entfuhr Luburgis’ Mund. »Du wagst es, mir zu widersprechen? Na warte, das wirst du noch bereuen, du undankbare Närrin. Ich werde Conrad von deinem ungebührlichen Verhalten berichten, und dann wirst du dir noch wünschen, du wärest fügsamer gewesen.«
    Ragnhild wusste, dass sie recht hatte. Conrad war nicht zimperlich, wenn es um Tadel ihr gegenüber ging. Sie musste die Situation entschärfen, wenn sie nicht wollte, dass Runa eine ebenso harte Strafe bekam wie sie.
    »Runa, entschuldige dich bei Tante Luburgis für dein Benehmen.« Ragnhild blickte tief in die tränennassen Augen und flehte stumm, dass sie es tun möge. Ihre Tochter war stolz und hatte keine Angst vor Bestrafung. Doch der eindringliche Blick ihrer Mutter machte ihr deutlich, dass sie sich jetzt zu fügen hatte.
    Ragnhild stellte sie wieder auf den Boden. Das Mädchen drehte sich um, senkte den Blick und knickste. »Bitte entschuldigt, dass ich Euer Kleid beschmutzt habe«, presste Runa zwischen den Lippen hervor.
    »Fehlt da nicht noch etwas?«, erwiderte Luburgis streng.
    »Tante Luburgis«, fügte Runa scheinbar unterwürfig hinzu. Luburgis heftete den Blick starr auf das Kind. Fast schien sie enttäuscht über die plötzliche Wende des Streits. Nun konnte sie sich nicht mehr in dem Ausmaß über Runa und Ragnhild bei ihrem Mann beschweren, wie sie es gerne getan hätte. Sie richtete ihren Blick auf Ragnhild und sagte: »Das nächste Mal werde ich nicht so mild mit ihr verfahren.« Ohne ein weiteres Wort stürmte sie aus der Küche.
    Ragnhild ging in die Knie und drückte Runa an sich. »Das hast du gut gemacht, mein Kind.« Sie wusste, dass sie ihrer Tochter beibringen musste, den Anweisungen der Tante Folge zu leisten, wenn sie bis zu ihrem ersehnten Auszug noch ein ruhiges Leben führen wollten. »Und wenn Tante Luburgis dich hinausführen möchte, hast du ihr zu folgen«, tadelte Ragnhild sie darum halbherzig.
    »Ich mag aber nicht mit Tante Luburgis gehen«, erwiderte Runa verzweifelt. »Sie ist gemein.« Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust.
    »Runa, sag so etwas nicht noch einmal, hast du gehört?«, ermahnte Ragnhild ihr Kind und fasste es sanft an den Schultern. »Du sollst solche Dinge nicht sagen. Hast du mich verstanden?«
    »Ja, Mutter«, murmelte Runa schließlich mit gesenktem Blick.
    Ragnhild nahm ihre Tochter erneut in den Arm und dachte daran, wie recht sie eigentlich mit ihren Worten hatte. Das Kind war selten vor den Gehässigkeiten ihrer Tante sicher. Wann immer sie zu laut durch das Haus tobte, ihre Gebete zu nachlässig sprach oder sich nicht mit einem Knicks entfernte, regnete es Schelte. Ragnhild machten die Bestrafungen Runas immer furchtbar wütend, schließlich war sie doch noch ein kleines Kind. Auch wenn sie ein lebhaftes Wesen hatte, empfand Ragnhild ihre Tochter dennoch als pflegeleicht. Aus Sicht der Mutter bestrafte Luburgis das Mädchen häufig viel zu hart. Mühsam stand Ragnhild wieder auf und sagte an ihre Freundin gerichtet: »Es tut mir so leid, Hilda. Immer dieser Zank.«
    »Das ist schon in Ordnung, Kindchen. Ruhe du dich jetzt lieber noch ein wenig aus, nach dem Ärger. Ich werde Runa inzwischen vom Schmutz befreien«, sagte sie mit einem Lächeln in Richtung des Kindes.
    Einen kurzen Moment lang wollte das Mädchen protestieren, doch sie wusste, dass es anderenfalls wohl doch ihre Tante Luburgis tun würde. Deshalb verhielt sie sich still.
    »Danke, Hilda«, seufzte Ragnhild und drückte ihre Freundin herzlich an sich. Dann verließ sie die Küche und trat in die Diele des Hauses. Dort blieb sie für einen Moment stehen, stemmte die Hände in den Rücken und atmete tief durch. Was sollte sie als Nächstes tun? Ihr erschöpfter Körper riet ihr, sich tatsächlich auszuruhen. Der bloße Gedanke daran, sich in das weiche Bett zu legen, die schmerzenden Glieder

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