Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
vorgenommen hatte. »Ehrenwerter Bürgermeister, ich möchte Euch danken für die weise Entscheidung, mich in das Kloster der Beginen geschickt zu haben. Dort haben die Gebete meiner frommen Mitschwestern meinen einst kranken Geist wieder erhellt. Die Trauer um meinen geliebten und vor Gott angetrauten Gemahl, Albert von Holdenstede, hatte meinen Verstand getrübt, sodass ich in das Wasser gegangen bin. Nun aber bin ich wieder klaren Verstandes und stehe hier vor Euch mit wachem Geist.«
Conrads Mund wurde trocken. Ganz offensichtlich glaubte sie, was ihr damals eingeflüstert worden war. Warum sonst würde sie jetzt versuchen, einen versuchten Freitod zu erklären, den sie nie begangen hatte? Aber warum war sie hier? Allein die Tatsache, dass sie nun wieder bei Verstand war, wäre niemals Grund genug, um vor den Rat zu treten. Conrad beschlich das Gefühl, dass Ragnhild etwas im Schilde führte. Dann fing er plötzlich den Blick seines Schwagers Johannes vom Berge auf. Mit einer winzigen Kopfbewegung in Ragnhilds Richtung machte er Conrad klar, dass er gefälligst einschreiten sollte.
Nun hielt ihn nichts mehr auf seinem Platz. Wütend sprang er auf und donnerte die Faust auf den Tisch. »Was fällt dir ein, den Audienztag mit deinem Gewäsch zu stören, Weib? Gehe gefälligst zurück ins Kloster, wo du vom ehrenwerten Rat der Stadt hinverwiesen wurdest.«
Ragnhild zuckte unwillkürlich zusammen und trat einen Schritt zurück. War dies nun das Ende ihrer Ansprache? Nein, so weit durfte es nicht kommen. Sie hatte bisher nur zugegeben, dass sie damals tatsächlich in den Tod hatte gehen wollen – was natürlich gelogen war. Doch diese Lüge stellte den ersten Teil ihres Plans dar, der plötzlich zu scheitern drohte, wenn man ihr wirklich den Mund verbot.
Dann erhob sich ein weiterer Mann; und dann noch einer.
Ragnhild konnte nicht hinsehen, doch sie war sich sicher, dass es ihre Feinde waren, die aufstanden, um sich für Conrads Rede einzusetzen. Ingrid hatte tatsächlich recht behalten; sie kam einfach nicht gegen ihre Feinde an.
Als die Männer jedoch zu sprechen begannen, vernahm Ragnhild die Stimmen der altehrwürdigen Ratsmänner Bertram Schele und Ecbert von Harn. Diese Stimmen hätte sie aus Tausenden herausgehört; so häufig waren diese beiden achtbaren Männer damals bei ihrem gemeinsamen Freund Conradus im Haus in der Reichenstraße zugegen gewesen.
Es war Bertram Schele, der zuerst seine Stimme erhob. »Ich sage, lasst die Dame Ragnhild sprechen!«
Dann gab Ecbert von Harn seine Zustimmung und blickte gleichzeitig kampfeslustig in Conrads Richtung. »Auch mir fällt kein Grund ein, warum die Dame Ragnhild fortgeschickt werden sollte. Ich sage, sie soll gehört werden.«
Nun war es wieder Esich, der das Wort ergriff. »Bitte, nehmt wieder Platz, meine Herren. Ich entscheide hiermit …«, setzte der Bürgermeister an und richtete den Blick auf die Begine vor ihm, »… dass Ihr fortfahren könnt, Dame Ragnhild. Bitte sprecht.«
Jetzt fühlte Ragnhild keine Furcht mehr. Vielleicht war es der Zuspruch der beiden Ratsherren, vielleicht aber auch das starke Gefühl, das Richtige zu tun. Sie stellte sich mit geradem Rücken vor dem Bürgermeister hin, blickte ihm direkt ins Gesicht und sprach mit lauter Stimme. »Jetzt, da Gott mir den richtigen Weg gewiesen hat, stehe ich hier vor dem weisen Rat der Stadt und möchte eine Bitte vortragen. Ich wünsche, das Kloster verlassen zu dürfen, und es soll rechtens sein, dass mein eingebrachtes Vermögen für alle Zeit im Kloster verbleibt. Alles, was ich dann noch habe, trage ich jetzt am Leibe.« Dann wandte sich Ragnhild von dem Bürgermeister ab. Sie drehte sich um sich selbst und schaute in die Menge der Bittsteller. Dort hatte sie bereits den Mann entdeckt, in dessen Hand es lag, ihr Leben für immer zu verändern. Nur ihm allein oblag es, sie vor Ingrid zu schützen und Runa von ihrer schrecklichen Verlobung zu befreien. Ragnhilds Blick galt nur noch diesem Mann, der sie anstarrte, als ob er sie am liebsten hier und jetzt verspeisen würde. »Wenn Ihr mich dennoch wollt, obwohl ich ohne Mitgift bin, so werde ich mit Freuden Euer angetrautes Eheweib, edler Symon von Alevelde.«
Damit hatte niemand im Saal gerechnet. Ein Tumult brach los. Die Ratsherren redeten wild durcheinander, und Bertram Esich musste mehrfach um Ruhe bitten.
Conrad brauchte nur den Bruchteil eines Augenblicks, um zu verstehen. Dieses durchtriebene Luder wollte mit dieser
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