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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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durfte auf keinen Fall aus ihrem Blickfeld verschwinden. Ohne auf ihren Mann Voltseco zu warten, kämpfte sie sich vor, entschuldigte sich links und rechts und stand dann endlich vor der Gruppe der Beginen. »Schwester Ragnhild, auf ein Wort, bitte!«, rief Agatha ihr mit erhobener Hand zu, um auf sich aufmerksam zu machen. Doch wie auf ein unsichtbares Zeichen hin schoben sich die Schwestern zu einer Traube zusammen. In ihrer Mitte, gut abgeschirmt von allem, ging Ragnhild; vorneweg die neue Magistra.
    Agatha schüttelte verwirrt den Kopf. Was wurde hier gespielt? Warum ließ Ragnhild das mit sich machen? Jetzt war ihr Ergeiz erst recht angestachelt. Ganz bestimmt würde sie sich durch solche niederen Mittel nicht davon abhalten lassen, ihrer Freundin die Nachricht über Runas Verlobung zu überbringen. Sie hatte bereits eine andere Idee, die sie auch augenblicklich in die Tat umsetzte. Wild entschlossen raffte sie ihre Röcke und stürmte an den Beginen vorbei. Sie ließ die Schwestern und auch Ingrid hinter sich und steuerte direkt auf Symon und Jacob von Alevelde zu, die sich im Gemenge vor der Traube der Blauen Schwestern befanden.
    Mit voller Absicht stellte sich Agatha breit vor Vater und Sohn auf, die nun direkt im Eingangsportal der Kirche standen. Für einen kurzen Moment lang versperrten die drei den Durchgang für alle Gläubigen. Agathas Plan schien aufzugehen. Nun würden alle, die in unmittelbarer Nähe standen, zwangsweise Zeuge dessen werden, was Agatha zu sagen hatte. »Symon von Alevelde, wie schön, Euch in Eurem neuen Gewand anzutreffen. Ihr seht vorzüglich aus; wie ein wahrer Edelmann!«
    Der anfänglich verdutzte Symon bekam zusehends eine geschwollene Brust. »Ich danke Euch, Schneiderin Agatha. Euer Gemahl hat wahrhaft ein Meisterstück geschaffen. Wie gemacht für einen Mann wie mich.«
    Nickend gab Agatha zurück: »Wie wahr, wie wahr. Ihr sagt es. Beehrt uns doch bald wieder, mein Herr. Sicherlich gibt es nun Anlass genug für schöne Gewänder, nachdem Euer hochwohlgeborener Sohn mit Runa von Holdenstede verlobt wurde.« Nach einer ungelenken Verbeugung Symons gab Agatha den Weg nach draußen frei.
    Bedrohlich langsam ging die Magistra mit ihren Schwestern an der Schneiderin vorbei. Ingrids wutgeschwängerter Blick bohrte sich in Agathas Augen, doch diese erwiderte ihn mit Leichtigkeit und freute sich darüber, der intriganten Ingrid eine Falle gestellt zu haben. Die Freude über ihren Erfolg wurde allerdings jäh getrübt, als sie den Blick Ragnhilds auffing.
    Es schien ihr sichtlich der Schock in die Glieder gefahren zu sein, denn sie vergaß für einen kurzen Moment, weiterzulaufen. Nur der Druck der Menschenmasse hinter ihr ließ sie sich wieder in Bewegung setzen. Den erschrockenen Blick starr auf ihre Freundin gerichtet, formte Ragnhilds Mund ein lautloses Danke .
    Ihr Entschluss stand fest. Niemals würde sie es so weit kommen lassen. Eine Hochzeit zwischen Runa und diesem fetten, dummen Jungen war einfach undenkbar. Ragnhild hatte Conrads Absichten sofort durchschaut. Jetzt, da sie selbst handlungsunfähig im Kloster saß, versuchte er die ungeliebte Stieftochter an den Nächstbietenden abzustoßen. Ganz sicher war dies auch in Luburgis’ Sinne; schließlich konnte sie Runa noch niemals leiden. Sie besaß nur Augen für die Zwillinge. Ihnen galt ihre ganze Liebe! Doch Ragnhild liebte alle ihre Kinder, und sie würde nicht zulassen, dass eines von ihnen unglücklich wurde. Sie war fest entschlossen, alles zu tun, um diese Hochzeit zu verhindern. Der Preis dafür war hoch, ja, er war sogar sehr hoch. Doch Ragnhild war es das wert.
    Als Erstes musste sie so schnell wie möglich aus dem Kloster heraus; am besten noch am selben Tag. Denn genau heute bot sich die Möglichkeit, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Sollte sie heute scheitern, gäbe es vielleicht keine zweite Möglichkeit mehr.
    Aus dem Kloster zu fliehen stellte sich allerdings als eine der schwersten Aufgaben dar. Schließlich hatte Ingrid seit dem gestrigen Kirchgang zwei der jüngeren Schwestern vor Ragnhilds Tür postiert, um sie allzeit zu bewachen. Von der Freiheit der Blauen Schwestern, die noch vorherrschte, bevor Ingrid das Amt der Magistra übernommen hatte, war nichts mehr geblieben. Alle, die Ingrid zuwiderhandelten, wurden kurzerhand eingesperrt, bis sie sich ihren Wünschen fügten. Die Enttäuschung der Schwestern, die Ingrid mit gutem Gewissen als ihre Magistra gewählt hatten, war ihnen förmlich an den

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