Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
Vom Netzwerk:
Verbindung verhindern, dass ihre Tochter mit Jacob von Alevelde verheiratet wurde. Wenn sie nämlich das Eheweib von Symon von Alevelde würde, konnte sein Sohn ja schlecht ihre Tochter Runa heiraten. Die wäre dann ja Jacobs Stiefschwester. Conrad fuhr sich ungläubig über den kahlen Kopf. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Er hatte angenommen, Ragnhild tatsächlich für alle Zeit los zu sein, und nun sah es ganz danach aus, als käme sie auf diesem Wege sogar zurück in ein bürgerliches Leben. Er hatte eine beachtliche Summe gezahlt, damit sie für immer hinter den Mauern des Klosters verschwand und unter Ingrids Kontrolle niemals mehr ein Grund für Ärgernisse sein würde. Was würden seine Erpresser mit ihm tun, wenn dieser Plan jetzt scheiterte? Abermals sprang Conrad auf und öffnete gerade die Lippen, als laut und deutlich durch den Saal hallte: »Ich nehme an!«
    Alle Köpfe drehten sich in die Richtung, aus der die Worte gekommen waren; und sie erblickten ein breites Grinsen.
    Symon war die Verlobung seines Sohnes angesichts der ihm dargebotenen Verlockung gleichgültig. Jacob würde eine andere Braut finden. Der Mehrwert seiner Hochzeit wäre schließlich die Verbindung zu einer ehrenhaften Kaufmannsfamilie gewesen, und dazu würde Symon durch die Hochzeit mit Ragnhild sogar noch viel eher kommen, als wenn er dafür auf Jacobs Hochzeit warten würde. Es gab also keinen Grund mehr, noch länger auf diese Würden zu verzichten. Symon war sichtlich zufrieden, und nichts würde ihn mehr von dieser Entscheidung abbringen.
    Als Bertram Esich die aufgebrachte Menge endlich wieder zur Ruhe bekommen hatte, teilte er den Anwesenden seinen Entschluss mit. »Da die Dame Ragnhild ganz offensichtlich wieder bei klarem Verstand ist und somit die Absicht des Rates, die mit dem zwanghaften Verweis ins Kloster verbunden war, aus meiner Sicht erfolgreich erfüllt worden ist, sehe ich keinen Grund, warum sie nun nicht wieder austreten und heiraten dürfte. Symon von Alevelde, habe ich richtig gehört, dass Ihr die Dame Ragnhild zu Eurer Gemahlin nehmen wollt, obwohl sie keine Mitgift mehr besitzt?«
    »Ja, das habt Ihr«, antwortete Symon von Alevelde mit erhobenem Haupt.
    »Dann sei es so. Ich beglückwünsche Euch zu Eurer Verlobung.«
    Seine Wunde am Bauch pochte mit jedem Herzschlag, und sein Fingerstumpf schmerzte bei jedem Schritt. Das Zügelhalten fiel Albert schwer. Er gewöhnte sich nur langsam daran, ohne zweiten Ringfinger zu leben. Beinahe fühlte es sich an, als ob der Finger noch vorhanden wäre. Immer wieder musste er sich mit einem Blick auf die rechte Hand davon überzeugen, dass ihm sein Kopf einen Streich spielte.
    Thiderich ging es nicht wesentlich besser als ihm. Seit zwei Tagen war seine Gesichtshaut blasser denn je, doch er beklagte sich nie.
    Walther hingegen war der Einzige, der kräftig und gesund aussah. Seine Blessuren von der Schlägerei waren bereits vollständig verheilt. So war er es auch, der seine Begleiter regelrecht am Leben hielt. Abends verpflegte er die Pferde, richtete ein notdürftiges Nachtlager her und sorgte dafür, dass es etwas zu essen gab. Zu ihrem großen Glück gelang es dem geschickten Walther, hier und da ein Eichhörnchen oder einen Vogel mit seiner Steinschleuder zu erlegen. Nur so hatten sie die letzten Tage und Nächte überlebt und es schlussendlich bis kurz vor die Tore Hamburgs geschafft.
    Heute war endlich der ersehnte Tag gekommen, und die letzten Stunden ihrer Reise lagen vor den Freunden. Nichts konnte sie mehr halten, weder der Schmerz ihrer Wunden noch die morgendliche Dunkelheit.
    Die beiden Pferde schnauften schwer unter dem Gewicht ihrer Reiter. Unerbittlich wurden sie auf den letzten Meilen nun doch zur Höchstleistung angetrieben, bis der weiß schäumende Schweiß ihnen in Strömen vom Körper rann.
    Walther, der hinter Albert auf dem Rappen saß, hatte größte Mühe, sich an dessen Körper festzukrallen, ohne die Wunden an dessen Bauch zu berühren. Er wusste, dass es sinnlos gewesen wäre, seinen Freund überreden zu wollen, langsamer zu reiten. So schwieg er still und bemühte sich redlich, mit der Bewegung des Pferdes mitzugehen.
    Albert schien den Schmerz seiner Wunden tatsächlich zu ignorieren. Wild trieb er sein Tier an. Seit so langer Zeit hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht, als endlich die Dächer seiner Heimat zu sehen, doch jetzt, da es fast so weit war, überkam ihn ein mulmiges Gefühl. Was würde ihn erwarten? Er konnte nur

Weitere Kostenlose Bücher