Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Geschickt schaffte es Ragnhild, sich in genau diesem Moment so zu bewegen, dass der Großteil davon an ihr vorbeilief. Sie wusste, dass sie es irgendwann akzeptieren musste, von ihm besamt zu werden, doch heute hätte sie es einfach nicht ertragen können, mit seinem Saft in ihrem Schoß neben ihm liegen zu müssen. Wenigstens das Innerste ihres Körpers und ihre Gedanken sollten diese Nacht noch ihr gehören – ihr und Albert; ein letztes Mal!
Dann drehte sie sich in einer großen klebrigen Pfütze aus Symons Liebessaft um und rollte sich so eng zusammen, wie sie konnte. Bis zum Morgengrauen weinte sie stumm, während ihr Gemahl neben ihr schnarchte.
Albert bekam seine Antworten, doch entsprachen sie nicht dem, was zu hören er sich ersehnt hatte. Wenn er überhaupt noch ein Fünkchen Hoffnung in sich getragen hatte, dass die Ehe zwischen Ragnhild und Symon von Alevelde wegen seiner Wiederkehr möglicherweise nicht rechtskräftig sei, war dieses bisschen Hoffnung nun zu Staub und Asche zerfallen.
Geduldig, aber schonungslos hatte der Bürgermeister ihm und seinen Begleitern von den Geschehnissen der letzten Wochen berichtet. Esich erzählte von dem fahrenden Händler, der die Mütze des Schiffsherrn der Resens nach Hamburg gebracht hatte und wie es so zu einer Verzögerung der bereits beschlossenen Hochzeit zwischen Ragnhild und Symon gekommen war. Er berichtete von dem Beschluss des Rates und des Domdekans, mit zwei Boten nach Albert suchen zu lassen, und auch davon, dass er nach Rückkehr der Boten für tot erklärt wurde.
An dieser Stelle wäre der übermütige Walther dem Bürgermeister fast ins Wort gefallen. Er wollte Bodo und Nicolaus schwer beschuldigen, damit sie ihre gerechte Strafe erhielten. Es war ihm unbegreiflich, warum keiner seiner Freunde bisher ein Wort über diese beiden Schurken verloren hatte, von denen sie so brutal niedergestreckt worden waren. Doch der junge, ungestüme Walther verstand einfach nicht, was Thiderich und Albert schon längst verstanden hatten.
Wenn sie Bodo und Nicolaus beschuldigt hätten, dann hätten sie ebenso zugeben müssen, dass Thiderich der heimliche Bote Ragnhilds war. Dann aber wäre Ragnhild in große Schwierigkeiten gekommen. Allein der Gedanke, dass eine Frau sich so unverfroren in die Machenschaften der Männer einmischte, war ungeheuerlich. Möglicherweise hätte man Ragnhild zur Strafe sogar aus der Stadt gejagt.
So kam es, dass Thiderich Walther einfach das Wort abschnitt und dem Bürgermeister seine eben erdachte Geschichte erzählte, um sie beide zu retten und Ragnhild zu sichern. Kaufleute aus fremden Landen seien sie, die zufällig auf Albert gestoßen waren und sich ihm angeschlossen hatten, um im fernen Hamburg gemeinsame Geschäfte zu tätigen. Der Bürgermeister war von den jüngsten Ereignissen offenbar so überwältigt, dass ihm diese Geschichte glaubhaft erschien.
Albert war dankbar für Thiderichs schnelles Denkvermögen. Er selbst hätte es in diesem Moment sehr wahrscheinlich nicht verstanden, so schlau zu lügen. Viel zu beschäftigt war er mit den neuen Informationen, die gerade auf ihn einprasselten. In seinem Kopf verknüpften sich bereits die ersten Auskünfte Esichs mit seinen eigenen Vermutungen. Nachdem der Bürgermeister die Geschichte der Boten von ihrem Ursprung her erzählt hatte, war für Albert klar, dass Conrad hier seine Finger im Spiel haben musste. Albert war seinem Bruder schon immer im Wege gewesen, und nun hatte dieser die Gelegenheit anscheinend nicht ungenutzt verstreichen lassen wollen, Albert gänzlich aus dem Weg zu räumen. Zunächst die aussichtslose Reise nach Flandern, dann diese mörderischen Kerle – alles deutete darauf hin. Schließlich hatten die Boten versucht ihn zu töten. Vieles, was Albert bereits geahnt hatte, wurde nun zur grausigen Gewissheit – beweisen konnte er das allerdings nicht. Dann kam es zu dem Teil der Erzählung, der Albert fast das Herz zerriss.
Esich berichtete von dem Moment, als Ragnhild im Wasser sterben wollte, sowie ihrer anschließenden Verweisung ins Kloster der Beginen. »Ich weiß, dass es schwer ist, das zu verstehen, aber die Gemüter von Frauen sind zart, und die Dame Ragnhild war, laut der Aussage von Domina Heseke, von ihrer Trauer übermannt worden. Sie war einfach nicht mehr bei Sinnen. Aber die Blauen Schwestern haben ihren Geist wieder gestärkt – genau so war es gedacht. Gott ist groß, mein Freund. Er hat ein Wunder an ihr vollbracht.« Der
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