Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Bürgermeister schien zu merken, wie viel Pein Albert bei dieser Geschichte empfand, und kam deshalb schnell zum Ende.
Gott hatte kein Wunder vollbracht, dachte Albert bitter. Schließlich war Ragnhild heute die Frau eines anderen. Was war daran ein Wunder? Vielmehr fühlte es sich an wie ein Fluch des Teufels. »Wie ging es weiter?«, fragte Albert gepresst, fast schon unhöflich. Es fiel ihm überaus schwer, bei diesem Thema die Fassung zu wahren.
»Nun, wie ich schon sagte, die Dame Ragnhild erholte sich rasch wieder. Eines Tages trat sie unvermittelt vor den Rat, bat um Gehör und verkündete ihre Genesung. Nachdem sie das getan hatte, sagte sie zum Erstaunen aller Anwesenden, dass sie unter den neuen Umständen nun doch wünsche, Symon von Alevelde zu ehelichen, falls dieser sie denn noch zum Weibe nehmen würde. Von Alevelde stimmte zu, und somit stand der Hochzeit am heutigen Tage nichts mehr im Wege.«
Als der Bürgermeister seine Ausführungen beendet hatte, war Albert merklich in seinem Sessel zusammengesunken. Er konnte es einfach nicht begreifen. Ragnhild hatte selbst um die Hochzeit mit Symon von Alevelde gebeten, obwohl sie weiter im Kloster hätte leben können? Sie hatte ein Leben an seiner Seite vorgezogen! Der Kummer über den Verlust ihres Gemahls, dessentwegen sie sich angeblich in das Nikolaifleet gestürzt hatte, war äußerst schnell verflogen. »Hättet Ihr wohl einen Becher Wein für mich?«, fragte Albert mit trockener Kehle.
»Aber natürlich, wie unaufmerksam von mir. Die Ereignisse setzen mir wohl kaum weniger zu, wenn ich schon vergesse, meine Gäste ordentlich zu bewirten«, entschuldigte sich der Bürgermeister.
Erst nach einer ganzen Weile und zwei vollen Bechern schweren Weins hatte Albert sich wieder einigermaßen gefasst. Dann wagte er, nach seinen Kindern zu fragen. Doch auch wenn es aufgrund der Streitigkeiten zwischen Conrad und ihm eigentlich hätte klar sein müssen, dass seine Kinder mit der Mutter in das Haus des Symon von Alevelde gezogen waren, ahnte Albert bereits, dass es auch hier nichts Gutes zu erfahren gab. »Sind meine Kinder bei ihrer Mutter?«
Esich tat es aufrichtig leid, diesem Mann einen weiteren Schlag versetzten zu müssen, doch es war bloß eine Frage der Zeit, wann er es erfuhr. »Eure Kinder befinden sich in der Obhut von Conrad und Luburgis von Holdenstede.«
»Was sagt Ihr da?«, stieß Albert ungläubig aus.
»Ich kann mir denken, dass das für Euch zunächst merkwürdig klingt, aber Ihr müsst versuchen zu verstehen«, besänftigte der Bürgermeister sein Gegenüber. »Nachdem die Dame Ragnhild für schwachsinnig und Ihr für tot erklärt wurdet, ernannte der Rat Euren Bruder zum Vormund Eurer Kinder. Es war zu ihrem Besten, das seht Ihr doch sicher ein, oder?«
Albert hätte am liebsten laut die Worte Nein, das sehe ich nicht ein! gebrüllt, so wenig stimmte er zu, aber es schien momentan zwecklos zu sein, darüber zu debattieren. Es bedurfte nicht mehr vieler Erklärungen, um ihm deutlich zu machen, dass seine Kinder derzeit weder zu Ragnhild und Symon kommen würden noch dass er selbst eine Möglichkeit hatte, sie zu sich zu holen. Der gemeinsame Beschluss von Kirche und Rat war rechtskräftig, wie Esich weiter ausführte – auch wenn Albert nun doch am Leben war.
Alle Anwesenden waren beschämt von der prekären Situation. Selbst der Bürgermeister schaffte es zeitweise nicht, Albert in die Augen zu sehen. Dennoch bemühte er sich um Trost. »Vielleicht gibt es für Euch in Zukunft ja eine … eine andere … Möglichkeit. Ich meine, Ihr müsst ja nicht alle Zeit allein sein. Kein Mann würde das auf Dauer wollen; und es ist auch nicht Gottes Wille. Er hat uns Menschen dazu geschaffen, in Zweisamkeit zu leben.« Bertram Esich war nicht besonders geschickt mit seinen Worten. Dennoch versuchte er, Albert so behutsam wie möglich nahezulegen, möglichst bald wieder zu heiraten und Ragnhild zu vergessen. Es war unmissverständlich, was er damit sagen wollte. Albert hatte Ragnhild für alle Zeit an Symon verloren.
»Es ist zu früh für ein solches Gespräch, das werdet Ihr doch sicher verstehen«, schnitt Albert dem Bürgermeister unvermittelt das Wort ab und wechselte brüsk das Thema. »Was sonst hat sich während meiner Abwesenheit ereignet?«
Der Bürgermeister war sichtlich erleichtert, nun zu einer Angelegenheit zu kommen, die ihm weit mehr lag als die vorherige. Fast beschwingt sagte er: »Ihr werdet sicher staunen, von
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