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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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ehemaligen bischöflichen Altstadt einige der hölzernen Brücken über das Nikolaifleet zerstört, um die Flammen aufzuhalten. Nur die Hohe Brücke an der südlichsten Stelle der Stadt und die Mühlenbrücke am nördlichsten Ende waren übrig geblieben und hatten sogleich Feuer gefangen.
    Wo die vielen Bewohner des dicht besiedelten St.-Petri-Kirchspiels schnell zur Stelle waren und der Feuersbrunst mit dem Wasser der Alster entgegenstanden, breiteten sich die Flammen auf der Cremon-Insel nahezu ungebremst aus. Rasend schnell wurde ein Kaufmannshaus nach dem anderen gefressen. Die prall gefüllten Lager der Tuchhändler, die hier vielfach wohnten, gaben den Flammen immer neue Kraft. Schon bald war es die Katharinen-Kirche, die zunächst hell aufleuchtete, um dann unter ohrenbetäubendem Lärm und einer heißen Wolke aus Funken und Staub in sich zusammenzufallen.
    Dieser Lärm war wohl auch der Grund, warum Albert von Holdenstede hochschreckte. Aufrecht saß er in seinem Bett. Er hatte von Alheidis geträumt und dachte im ersten Augenblick, der Traum trage Schuld an seinem unsanften Erwachen. Noch immer benommen, wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Es war unglaublich heiß in seiner Kammer; viel heißer, als es in den vergangenen Nächten dieses überaus warmen Sommers der Fall gewesen war. Gelbliches Licht tanzte in seinem Zimmer umher, welches durch die weit geöffneten Luken hereinkam. Albert kniff die Augen zusammen. Dann erst vernahm er den beißenden Geruch in der Luft, die grollenden Geräusche der Feuersbrunst und die spitzen Schreie der Brennenden.
    Nur einen Wimpernschlag später sprang er mit einem Satz aus dem Bett und riss die Tür auf. Was er dahinter zu sehen bekam, ließ ihn aufschreien und unerwartet zurückprallen. Albert meinte, den Schlund der Hölle vor sich zu haben. Sein Haus brannte, und seine Kammer würde als Nächstes von den Flammen verschluckt werden. Er musste raus. Albert rannte mit über dem Kopf verschränkten Armen durch die brennenden Flure. Walther, Margareta, die Magd! Er musste sie finden! Zuerst erreichte er die Kammer von Walther. Als er die Tür öffnete, hatte er das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen. Albert konnte kaum noch atmen, und sein immerwährender Husten zwang ihn, die stickige Luft einzuziehen. Glühende Hitze schlug ihm entgegen – auch hier drinnen stand schon alles in Flammen. Der dichte Rauch machte ein Weiterkommen fast unmöglich. Irgendwie gelang es Albert doch, zur Bettstatt seines Freundes zu kommen. Erst als er eine Handbreit von ihm entfernt war, konnte er etwas erkennen.
    Walther hatte die Augen geschlossen, und im ersten Moment sah es aus, als sei er bereits tot. Doch Albert hatte keine Zeit, das zu überprüfen, und überlegte nicht lange. Roh ergriff er Walthers Arm und riss ihn unsanft aus dem Bett, sodass sein Körper hart auf dem Boden aufschlug. Walther erwachte hustend und verwirrt. Im nächsten Moment begriff er jedoch die Gefahr für sein Leben und krabbelte mit Albert aus der brennenden Kammer.
    Beide Männer konnten sich kaum mehr orientieren. Sie japsten nach Luft. Die Hitze war schier unerträglich, und die Flammen kamen aus allen Richtungen.
    Mit letzter Kraft schrie Albert gegen das Brüllen des Feuers an. »Margareta. Wir müssen sie holen!« Noch im gleichen Moment wollte er bereits losstürmen, um das Gesagte in die Tat umzusetzen, als Walther ihn mit aller Gewalt zurückhielt.
    Vor ihnen kam krachend ein brennender Balken der Decke herunter; fast wäre Albert darunter begraben worden. Doch auch das konnte ihn nicht aufhalten. Als er gerade Anlauf nehmen wollte, um über den brennenden Balken zu springen, hielt Walther seinen Freund abermals grob zurück.
    »Bist du denn des Wahnsinns? Was hast du vor?«
    Albert hörte gar nicht, was Walther sagte. Mit aller Kraft schüttelte er die Hände seines Freundes ab, um tiefer in das brennende Haus laufen zu können. Irgendwo dort war seine Tochter Margareta – er musste sie finden!
    Walther war jedoch nicht gewillt, ihn gehen zu lassen. Unentwegt versuchte er, mit seinem Rufen zu ihm durchzudringen. »Albert, das verdammte Haus stürzt ein. Wir müssen hier raus!«
    »Nein, ich muss zu meiner Tochter!«, schrie Albert wie im Wahn.
    In diesem Moment krachte es erneut irgendwo. Walther konnte nicht mehr warten. Er packte Albert mit beiden Fäusten am Kragen und knallte ihn mit aller Wucht rücklings gegen eine Wand. Speichel speiend schrie er ihm ins Gesicht. »Verstehst du nicht?

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