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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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Entweder hat sie sich in Sicherheit bringen können, oder sie ist bereits tot. Und wir werden auch gleich sterben, wenn wir jetzt nicht zusehen, dass wir hier rauskommen.« Walther wartete nicht auf eine Antwort. Er ließ einfach von Albert ab und trat einen Schritt zurück. Dann endlich verstand auch sein Freund, dass sie ihr eigenes Leben retten mussten, und rannte in Richtung Ausgang.
    Das Haus brannte derweil lichterloh. Überall knarrte und knackte es. Der Rauch war mittlerweile so dicht, dass man die Hand vor Augen kaum noch erkennen konnte, und mit jedem Atemzug füllten sich ihre Lungen mit heißem Staub. Es gab keinen Zweifel, in wenigen Augenblicken würde hier alles in sich zusammenstürzen.
    Die Männer rannten um ihr Leben. Überall züngelten Flammen hervor, denen sie ausweichen mussten. Fast hatten sie es geschafft, sie konnten den Ausgang bereits sehen, als direkt über ihnen erneut ein Teil der brennenden Decke herunterkam.
    Ein gellender Schrei fuhr aus Walthers Mund und übertönte sogar das Donnern des Feuers.
    Albert fuhr herum und sah, wie sein Freund sich, auf dem Boden liegend, den blutenden Kopf hielt. Einer der herabgestürzten Holzbalken hatte ihn getroffen und ihm eine üble Wunde auf der Stirn beigebracht. Albert wollte ihm gerade aufhelfen, da wurde Walther unter einem noch größeren Schwall brennender Balken begraben.
    Wie schon viele Nächte zuvor ließ ihr Kind Runa auch in dieser Nacht nicht schlafen. Obwohl es noch so winzig war, hatte es schon einen beachtlichen Einfluss auf sie. Langsam begannen die durchwachten Nächte Runa auch am Tage zu beeinträchtigen. Immer wieder musste sie sich ermahnen, nicht mitten im Gebet einzuschlafen.
    Um in den Nächten, in denen sie nicht schlafen konnte, vielleicht doch irgendwann zu ermüden, wanderte sie häufig im Kloster umher. Auch heute war eine solche Nacht. Nachdem sie zunächst eigentlich ohne Probleme eingeschlafen war, hatte es sie nach kürzester Zeit doch wieder aus der Kammer getrieben. Vielleicht war auch die unerträgliche Hitze ein wenig an ihrer Schlaflosigkeit schuld, die dieser Sommer mit sich brachte. Was sie auch tat, ihr lief der Schweiß. Heute Nacht erschien es Runa sogar besonders heiß, und sie entschied kurzerhand, in den Klostergarten zu gehen, um sich dort ein wenig abzukühlen.
    Bereits nach wenigen Schritten in Richtung Garten vernahm sie den Geruch. Es war dieser eine Geruch, den jeder von Kindheit an fürchtete. Der Geruch von Feuer!
    Von der inständigen Hoffnung getrieben, dass sie sich vielleicht doch irrte, eilte Runa weiter. Beruhigt stellte sie zunächst fest, dass es in den Gängen des Klosters nicht zu brennen schien. Wo sie auch hintrat, sie konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Trotzdem ließ sie das unruhige Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte, nicht los. Schließlich hatte sie die Gebäude des Klosters passiert und gelangte in den Garten. Was sie hier zu sehen bekam, ließ ihr Herz für einen Schlag aussetzen.
    Der Himmel über der Stadt war glutrot, und der Geruch des Feuers raubte ihr fast die Luft. Runa streckte die Handfläche aus und fing damit ein paar Ascheflocken auf, die überall vom Himmel regneten. Im nächsten Augenblick drehte sie sich auf dem Absatz um und rannte, so schnell sie konnte, zurück in das Kloster. Sie bemerkte gar nicht, dass ihr wärmendes Wolltuch von ihren Schultern flog und hinter ihr sanft auf den aschebedeckten Boden schwebte.
    »Feuer! Feuer! Es brennt! Die Stadt brennt!« Noch im Rennen hämmerte Runa an jede Tür, die sie passierte. Sie schrie aus Leibeskräften.
    Schnell steckten die ersten Schwestern die Köpfe durch die Türen. Sie waren von Runas wilden Schreien zwar erwacht, doch brauchten einen Moment, um zu verstehen. Dann ging alles sehr schnell. Panik brach aus. Mit angstverzerrten Gesichtern stoben die Frauen durcheinander.
    Runa rannte weiter. Vor ihren Augen bildete sich ein Tunnel. Sie schenkte keiner ihrer Mitschwestern Beachtung, denn sie hatte nur ein einziges Ziel – den Ausgang!
    In diesem Moment trat Ingrid aus dem Gewühle heraus. Sie hatte die Stimme Runas sofort erkannt und suchte nun nach ihrem Gesicht. Es dauerte nicht lange, bis sie die Tochter ihrer Feindin an ihren hellblonden Flechten erkannte. Blitzschnell schoss sie in Richtung Ausgang, auf den Runa zusteuerte, und packte sie am Arm. »Wohin willst du?«, fragte Ingrid mit drohender Stimme und böse zusammengekniffenen Augen.
    Runa zog an ihrem Arm und wollte sich losreißen.

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