Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
die Magd in einem Ton, welcher unter anderen Umständen Albert gegenüber absolut unangemessen gewesen wäre. Doch der scherte sich nicht darum.
In diesem Moment kam Luburgis die Treppe herunter. Steif starrte sie auf das, was sich ihr hier offenbarte.
Albert hatte inzwischen seine letzten Kräfte gesammelt und Ragnhild ein weiteres Mal hochgehoben. »Geh mir aus dem Weg, Luburgis«, fuhr er seine Schwägerin an, die sich daraufhin mit dem Rücken an die Wand presste, um alle drei durchzulassen.
Albert steuerte auf Ragnhilds und seine Schlafkammer zu. Rüde trat er die Tür auf und ließ seine Frau, so sanft es ihm seine schmerzenden Arme noch erlaubten, auf das Bett gleiten. Der Kreißenden entwich ein lautes, tiefes Stöhnen, auf das Albert sofort ihre Hand ergriff.
Doch Hilda schickte ihn hinaus. »Herr, wenn Ihr Eurer Frau jetzt helfen wollt, dann sprecht Gebete für ihre Gesundheit und die Eures ungeborenen Kindes.«
Der sonst so stattliche Kaufmann sah nun aus wie ein hilfloser kleiner Junge. Doch die eindringlichen Worte Hildas ließen ihn die Kammer tatsächlich verlassen.
Luburgis war mittlerweile in die Kammer getreten. Gleichgültig sagte sie: »Das Kind kommt zu früh.«
Hilda erwiderte nichts darauf. Erst nachdem die Magd ihre Freundin weich gebettet hatte, wandte sie sich an die Hausherrin. »Wir sollten jemanden schicken, um die Wehmutter holen zu lassen.«
»Dazu ist es zu spät«, antwortete Luburgis forsch.
»Was soll das heißen? Ich bin mir ganz sicher, dass uns noch genügend Zeit bleibt.«
»Das meine ich nicht. Die Wehmutter ist heute am frühen Morgen bereits zu einem der Höfe auf dem Rövekamp gerufen worden.«
Hilda stockte. Sprach Luburgis wirklich die Wahrheit? Nach Meinung der Magd war dieser Frau alles zuzutrauen – auch dass sie log, um Ragnhild die Wehmutter zu verwehren. Ein langgezogener Schrei Ragnhilds erinnerte sie jedoch daran, dass ihr die Zeit fehlte, um das selbst nachzuprüfen. Schließlich lag der Rövekamp noch hinter dem Heidenwall am nördlichsten Ende des Jacobi-Kirchspiels, und Ragnhild brauchte ihre Hilfe jetzt sofort. »Erlaubt Ihr dann, dass ich nach der Magd der Familie von Metzendorp schicken lasse? Sie ist mir eine enge Vertraute, und sie versteht sich darauf, schmerzlindernde Heilkräuter anzuwenden.«
Luburgis ließ ein entrüstetes Schnauben ertönen. »Zauberei! So etwas lasse ich ganz sicher nicht zu.«
»Aber ich befürchte, es wird eine schwere Geburt, Herrin. Wir könnten etwas Hilfe gebrauchen.«
»Gebete sind unser Heilmittel, du Ungläubige. Ragnhild wird die Schmerzen der Geburt ertragen, wie alle Frauen sie ertragen müssen, seitdem Eva einen Apfel vom Baum der Erkenntnis gekostet hat.«
Luburgis’ unerschütterlicher Blick ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihre Meinung nicht mehr ändern würde. Hilda musste sich fügen. Sie drehte sich zu Ragnhild um und sprach in sanftem Ton mit ihr. »Wir müssen das jetzt allein schaffen, Kleines.«
Luburgis wollte der ungebührlichen Anrede wegen sofort aufbegehren und ging energisch auf die zehn Jahre ältere Hilda zu. Diese hatte damit aber wohl gerechnet und drehte sich im gleichen Moment um. Beide Frauen sahen sich direkt in die Augen.
Klar und entschlossen, keinen weiteren Aufschub zu dulden, sagte Hilda: »Herrin, ich habe bereits einige Kinder auf die Welt geholt – auch ohne Geburtsstuhl und ohne Wehmutter. Wenn Ihr erlaubt, werde ich alles tun, um dieses auf die gleiche Weise zu holen. Doch ich brauche dabei Hilfe.«
Luburgis erwiderte nichts. Offensichtlich wog sie ab, ob sie dem Drang nachgeben sollte, die Magd zurechtzuweisen.
Ein gellender Schrei löste beide aus ihrer Starre.
»Bitte, Herrin, wir brauchen saubere Tücher und Wasser«, bat Hilda inständig.
Es war Luburgis anzusehen, wie sehr sich alles in ihr sträubte, doch dann ging sie tatsächlich, um das Gewünschte zu holen. Innerlich kochte sie jedoch vor Wut. Nicht genug damit, dass dieses dänische Miststück heute womöglich einen Jungen gebar; nun musste sie für dieses Weib auch noch niedere Arbeiten verrichten.
Endlich konnte Hilda sich Ragnhild zuwenden. »Wie geht es dir, Kleines?«
»Ich habe Angst, Hilda. Ganz schreckliche Angst«, weinte die Kreißende. »Mein Bauch fühlt sich an, als wolle er zerbersten. Es tut so weh … Bitte hilf mir.«
»Wie regelmäßig kommen die Wehen?«, versuchte Hilda herauszubekommen, doch die Antwort war nur ein langer Schrei. Ragnhild bäumte den Oberkörper auf und
Weitere Kostenlose Bücher