Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
nur von zwei Talglichtern und dem Kohlebecken erhellt. Das Fenster war durch hölzerne Läden versperrt. Ragnhild lag im Bett und lächelte ihren Gemahl erschöpft, aber glücklich an. Sofort schlug ihm die Wärme des Kohlebeckens entgegen. Die Kammer wirkte ordentlich, offenbar hatte Hilda die blutverschmierten Laken bereits verstaut. Auch das Haar seiner Frau war schon geflochten, und sie trug ein sauberes Kleid. Weiße Laken bedeckten Ragnhild bis zum Bauch. In den Armen hielt sie die gewaschenen schlafenden Kinder.
Hilda weckte Albert aus seiner Starre. »Kommt herein, Herr. Ihr seid Vater von zwei gesunden Jungen.«
Albert trat ein und konnte den Blick dabei nicht von seiner Gemahlin nehmen. Langsam und vorsichtig näherte er sich dem Bett. Er wusste nicht, weshalb er so behutsam vorging. Vielleicht war es die Angst, dieses wunderschöne Bild zu zerstören. Dann erreichte er seine Frau und küsste sie auf die Stirn. »Wie geht es dir, Liebling?«, flüsterte Albert ihr leise zu, um die Kinder nicht zu wecken.
»Schau doch, wir haben zwei Söhne. Es sind Zwillinge. Was für ein Segen.« Ragnhild hatte endlich ihre Stimme wiedergefunden. Sie lachte leise. »Ich hätte es doch wissen müssen. Mein Bauch war so groß. Wahrscheinlich wollte ich dieses Glück nicht wahrhaben.«
Nun lachten auch Hilda und Albert. Der Kummer der letzten Stunden war wie weggeblasen. Albert schaute zu Hilda hinüber. Er kannte sie schon sein ganzes Leben lang und hatte in ihr immer eine zweite Mutter gesehen. Sie war es, die sich um ihn gekümmert hatte, wenn er sich als Kind verletzte. Sie hatte ihm heimlich seine liebsten Köstlichkeiten zugesteckt, wenn er nur lange genug darum gebettelt hatte. Und nun war sie es auch, die seinen Söhnen auf die Welt geholfen hatte. »Ich danke dir, Hilda.«
Verlegen schlug sie die Augen nieder. »Dankt mir nicht, Herr. Ich liebe diese beiden Jungen schon jetzt, als wären es meine eigenen«, gestand sie mit tränennassen Augen.
Luburgis stand noch immer abseits. Unsicher starrte sie auf Albert und die Frauen, wie sie die Kinder umgaben. Ihre vorherige Wut war in tiefe Traurigkeit umgeschlagen. Sie musste sich beherrschen, nicht zu weinen. Nie hätte sie es zugegeben, doch sie beneidete Ragnhild um diesen Moment. So viel Liebe und Wärme war zwischen diesen Menschen; fast schien sie greifbar. Ihre jahrelange Kinderlosigkeit legte sich mit einem Mal wie ein dunkler Schleier auf ihr Gemüt. Wenn sie doch nur ein einziges Kind haben könnte. Und nun bekam diese Dänin auch noch zwei auf einen Streich. Luburgis wusste nicht, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen sollte, und fing an, die noch unbenutzten Laken hektisch zusammenzuraffen. Sie wollte raus. Raus aus diesem Raum, weg von diesen Gefühlen. Mit dem Bündel Leinen im Arm sagte sie streng: »Ich gehe dem Herrn des Hauses über die Ereignisse berichten. Hilda, du kannst dich jetzt wieder an die Arbeit machen. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, hier herumzustehen.« Luburgis wartete nicht auf eine Antwort und verließ die Kammer mit wehenden Röcken.
Die drei Verbliebenen schauten ihr nach.
Hilda wusste, dass es besser war, der Anweisung ihrer Herrin zu folgen. Außerdem wollten die jungen Eltern sicher auch einen kurzen Moment allein sein. Die barschen Worte Luburgis’ hatten ihre Stimmung nicht im Geringsten getrübt. Mit einem liebevollen Blick auf die Kinder und die Eltern verließ die Magd die Kammer.
»Geht es dir wirklich gut? Du siehst noch immer so blass aus. Heute Morgen auf der Straße hast du mir einen gehörigen Schrecken eingejagt«, bekannte Albert mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Mir geht es gut. Sehr gut sogar. Schau dir unsere Söhne an. Es sind Zwillinge, und trotzdem sind sie so unterschiedlich«, stellte Ragnhild fest.
Erst jetzt schaute Albert genauer hin. Der Erstgeborene hatte einen großen Kopf und bereits viele schwarze Haare. Er war ein kräftiger Bursche, und seine Haut war rosig. Der Zweitgeborene hingegen war um einiges kleiner. Noch kein einziges Haar krönte sein Haupt, und seine Hautfarbe war hell, fast weiß.
Stolz betrachteten die Eltern ihre Kinder.
»Wie wollen wir sie nennen?«, fragte Ragnhild, ohne den Blick zu heben. Da Albert ihr nach der Geburt Runas erlaubt hatte, das Mädchen nach ihrer dänischen Mutter zu benennen, wollte sie ihm nun den Vortritt lassen.
Albert wies mit dem Finger auf den Kräftigeren der beiden und sagte: »Was hältst du davon, wenn wir ihn Godeke nennen, nach meinem
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