Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Zange fest auf dem Amboss und drehte es zwischen den Schlägen um. Nach einer gewissen Anzahl von Schlägen hielt er die glühende Seite des Eisens entweder erneut ins Feuer, um es daraufhin weiter bearbeiten zu können, oder aber in ein Fass mit Wasser, wo es dann zischend und dampfend abkühlte. Diese Arbeitsschritte wurden so oft wiederholt, bis der unförmige Klumpen die gewünschte Form und Härte besaß.
Ragnhild versuchte sich mit Mühe an die Erzählungen ihres Mannes zu erinnern. Es hatte noch niemals einen Grund für sie gegeben, hierherzukommen, weshalb sie das Haus des Schmiedes, bei dem Albert sich aufhalten sollte, auch nicht kannte. Da Meister Curland angeblich der Reichste unter den Schmieden in der Straße war, schien es ihr wahrscheinlich, dass er wohl auch das größte und schönste Haus besitzen würde. Und tatsächlich, nachdem Ragnhild die kurze Straße halb durchschritten hatte, blieb sie unvermittelt stehen. »Das muss es sein«, sagte sie halblaut vor sich hin, als sie ein reich verziertes Fachwerkhaus erreichte.
Seit jeher bestand Conrad darauf, dass alles für ihn Geschmiedete aus genau dieser Schmiede stammen sollte. Ragnhild vermutete, dass dies weniger mit den Künsten des Meisters zusammenhing denn viel mehr mit seinem guten Ruf. Meister Curland war der Beste seiner Zunft, und so war er gerade gut genug für Conrad, der es liebte, sich mit den großen Männern der Stadt zu schmücken. Curland war aber auch unter den einfachen Bürgern hoch angesehen. Er gehörte dem Weisenrat der Wittigesten an, welche die Interessen der Hamburger vertrat, die sich nicht in den Rat wählen lassen konnten, wie die Handwerker, Höker und Krämer. Die Wittigesten mussten bei allen Entscheidungen des Rates angehört werden und waren deshalb bei der Bevölkerung fast ebenso geachtet wie die Ratsherren selbst.
Plötzlich entdeckte sie Albert. Er sprach mit einem weißhaarigen, dicken Mann, dessen lederne Schürze ihm bis über die Knie ging und stramm an seinem dicken Bauch anlag. Ragnhild dachte für einen kurzen Moment, dass er ebenso schwanger aussähe wie sie selbst.
Albert war so in das Gespräch vertieft, dass er gar nicht bemerkte, wie ihn seine Frau von der Straße aus beobachtete. Er war weit schmaler als die kräftigen Schmiede und dennoch nicht zu übersehen, fand Ragnhild. Vor ihrer Hochzeit war er ein umschwärmter Jüngling gewesen. Sein aufrechter Gang ließ ihn selbstbewusst wirken. Das hellbraune Haar fiel ihm bis in den Nacken, und seine ungeliebten jungenhaften Gesichtszüge versuchte er hinter einem kurzen Bart zu verstecken. Gerne hätte er ein markanteres Aussehen gehabt, wie er seiner Frau mal erzählt hatte, doch Ragnhild liebte das Schelmische in seinem Blick. Wie so oft schon ertappte sie sich auch jetzt dabei, wie sie sich mit unchristlichem Stolz bewusst machte, dass dies wirklich ihr angetrauter Ehemann war. Lange vor der Hochzeit war sie schon verliebt in ihn gewesen – nichts hatte sich bis heute daran geändert.
Albert wandte sich um und entdeckte Ragnhild. Er stutzte, dann kam er auf sie zu. »Liebling, was tust du hier? Du bist ja ganz außer Atem. Wo ist Hilda? Bist du etwa allein hierhergekommen?«, überhäufte er sie mit Fragen, während er ihr gleichzeitig seinen Arm bot.
Dankbar hakte Ragnhild sich unter. »Ja, ich bin allein. Bitte tadele mich nicht. Ich weiß, es ziemt sich nicht, ohne Begleitung auf die Straße zu gehen«, wiederholte sie den oft gehörten Satz von Luburgis, »aber ich habe dir etwas sehr Wichtiges zu erzählen.«
»Hat das keine Zeit bis heute Abend?«, fragte Albert verständnislos. »Du solltest in deinem Zustand nicht mehr so weite Wege gehen.«
»Ich weiß, aber es kann nicht warten, Albert.«
Dieser hörte Ragnhild jedoch gar nicht zu. »Wie kannst du nur so unvernünftig sein, Frau? Ich bringe dich jetzt erst einmal nach Hause«, beschloss er kopfschüttelnd.
»Warte, Albert … es ist wirklich sehr wichtig … es geht um das …«
»Bitte, Ragnhild«, schnitt er ihr das Wort ab. »Dies ist nun wirklich nicht der richtige Ort.«
»Ja, aber …«
»Schluss jetzt«, beschloss Albert nun etwas strenger. »Nicht hier und nicht jetzt, Ragnhild. Großer Gott, was ist nur in dich gefahren?«
Viel zu atemlos, um weiter zu protestieren, wurde ihr klar, dass sie die Sache falsch angegangen war. Entmutigt ließ sie sich von ihm mitziehen. Ragnhild ärgerte sich über sich selbst. Sie hatte nichts erreicht. Ihr törichtes Verhalten würde
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