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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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Vogtgerichts vor, um das Papier genau zu begutachten. Dann erst gab er Antwort. »Ja, das ist es.«
    Der Vorsitzende zog das Papier, das er Conrad entgegengehalten hatte, wieder zu sich auf den Tisch und sprach mit drohend ruhiger Stimme: »Dann seid Ihr angeklagt, den letzten Willen Eures Vaters zu Euren Gunsten gefälscht zu haben. Wie wir wissen …«
    »Das ist eine Lüge«, unterbrach Conrad den Vogt schroff. Doch seine Worte gingen in dem aufwallenden Rumoren der Hamburger unter. Auch für sie kam diese Klage überraschend, und so fragte jeder seinen Nebenmann, ob er etwas davon gewusst hatte.
    Conrad schnellte vom Tisch des Vogtes auf die Bittsteller und Schaulustigen zu. Aufgebracht zeigte er mit dem Finger auf die Menge, während er lautstark wetterte: »Welcher Feigling klagt mich dessen an? Gebt Euch gefälligst zu erkennen!« Doch niemand der Umstehenden beantwortete seine Frage. Conrad fühlte die feindselige Stimmung ihm gegenüber, welche nicht nur von den Blicken Ecbert von Harns oder denen seines Bruders herrührte, und er begann zu schwitzen. Immer wieder schaute er sich um, drehte sich dann sogar um die eigene Achse, um den Ankläger auszumachen, doch niemand bekannte sich zu der Klage. Dann ließ ihn ein Poltern plötzlich zum Richtertisch schauen.
    Johann Schinkel war so schwungvoll von seinem Schemel aufgesprungen, dass dieser krachend zu Boden ging. Er streckte ebenfalls seinen Zeigefinger aus und richtete ihn auf Conrad. » Ich klage Euch an, Conrad von Holdenstede, und den Beweis für meine Anschuldigungen trage ich hier mit mir.«
    Das beständige Gemurmel stieg augenblicklich auf ein Vielfaches der vorherigen Lautstärke an. Die Hamburger waren neugierig und schockiert zugleich. Es kam nicht oft vor, dass die hohen Herren der Stadt sich gegenseitig beschuldigten. Schon gar nicht in aller Öffentlichkeit. Doch dieser alles zerstörende Brand schien die Welt ins Wanken gebracht zu haben.
    Albert schaute zwischen seinem Bruder und dem Ratsnotar hin und her. Er konnte sich nicht so recht erklären, von welchem Verbrechen Johann Schinkel sprach. Doch die alleinige Tatsache, dass es etwas mit dem Testament ihres Vaters zu tun haben musste, ließ ihn aufhorchen.
    Auch Ragnhild, Runa und Margareta klammerten sich vor Anspannung nun noch fester aneinander.
    Niemand jedoch war einer Ohnmacht so nahe wie Luburgis. Sie wusste, dass ihr Leben unmittelbar vom Ansehen ihres Mannes abhing. Haltsuchend umfasste sie den Arm Godekes.
    Dann fuhr der Vorsitzende fort. »Sagt mir, wenn das eine Lüge ist, wie kann es dann sein, dass sich in der Stadtkiste, die den Brand durch Gottes Gnade unversehrt überstanden hat, zwei verschiedene Testamente Eures Vaters befanden?«
    Conrad fühlte, wie die Farbe aus seinem Gesicht wich. Zwei verschiedene Testamente? Das konnte nicht sein. Krampfhaft versuchte er, sich an den Todestag seines Vaters vor fast genau zwanzig Jahren zu erinnern. Conrad sah ihn wieder vor sich in seinem Bett liegen. Kaum noch bei Verstand und fast zu zittrig, um überhaupt noch den Gänsekiel zu halten. Mit einer List hatte er dem Sterbenden damals die Unterschriften auf den beiden Testamenten abgerungen, welche er daraufhin mit einer Klinge teilweise abgeschabt und gleich darauf neu verfasst hatte. Eine der Urkunden hatte sich bis zum Brand in seinem Haus befunden und war durch die Flammen vernichtet worden, die andere war seit jenem Tage im Besitz des Rates. Doch woher sollte nun ein weiteres Testament kommen? Conrad war so überrumpelt, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Hilflos stammelte er vor sich hin: »Das … das ist doch Verrat. Was soll das heißen, ein zweites Testament? Es gibt nur ein echtes Testament!«
    Abermals meldete sich Johann Schinkel zu Wort. »Das ist wahr, es gibt nur ein echtes Testament, Conrad von Holdenstede, und das ist nicht dieses hier, welches Ihr dem Rat damals übergeben habt.« Drohend zeigte der Notar auf das Testament, das vor dem Vogt auf dem Tisch lag. »Ich klage Euch hiermit an, den letzten Zusatz des echten Testaments durch einen selbst erdachten Schlussteil der Dispositio ersetzt zu haben, um Euch unrechtmäßig am Vermögen Eures Vaters zu bereichern. Das einzig echte Testament ist dieses hier, und der Vergleich der beiden Schriftstücke hat Euer Verbrechen enthüllt.«
    Nun nahm Johann ein zweites Dokument von dem Vorsitzenden entgegen und hielt es ebenso in die Höhe. »Bei diesem Testament handelt es sich zwar lediglich um einen Entwurf, doch

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